07.10.2022 20:30:38

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Gefährlicher Stress / Kommentar zur Lage an den Finanzmärkten von Alex

Wehnert.

Frankfurt (ots) - Der überwiegend positive Start der Finanzmärkte ins

Schlussquartal 2022 bietet noch keinen Anlass zur Erleichterung. Gerade die

anhaltenden Spannungen im US-Markt, der für Europas Handelsplätze auch weiterhin

die Richtung vorgeben dürfte, sollten Investoren dabei Sorgen bereiten. Laut

einem vom Office of Financial Research, einem Büro des Finanzministeriums der

Vereinigten Staaten, entwickelten Index ist der finanzielle Stress gar so hoch

wie seit den Corona-Marktverwerfungen aus dem Frühjahr 2020 nicht mehr. Auch

Subbarometer für die Credit- und Aktienmärkte zeigen deutliche Ausschläge nach

oben, während insbesondere die Volatilität besorgniserregende Niveaus er­reicht.

Sichere Häfen erodieren

Die Schwankungen erstrecken sich mittlerweile auf Assetklassen, die gemeinhin

als sichere Anlagehäfen gelten - darunter auch US-Staatsanleihen. Die Rendite

des zehnjährigen Titels kletterte bereits Ende September erstmals seit einem

Jahrzehnt über die Marke von 4% und liegt weiterhin in Schlagdistanz zu diesem

Wert. Der ICE BofA Move Index, der die Volatilität des Treasury-Marktes

nachbildet, erreichte zuletzt wie der Financial Stress Index den höchsten Wert

seit dem Corona-Crash. Das Resultat ist ein Teufelskreis: Investoren nehmen vor

der Volatilität Reißaus, und eine geringere Präsenz liquider Marktteilnehmer

bedingt weitere heftige Schwankungen. In der Folge drohen US-Staatsanleihen als

Rückzugsbastion für Anleger zu erodieren. Die angespannten Handelsbedingungen

bei Treasuries greifen damit auch auf andere Assets über.

Zugleich bedeuten höhere Zinsen schwierigere Finanzierungsbedingungen für

Unternehmen, während das eingetrübte konjunkturelle Umfeld, die restriktive

Geldpolitik der Federal Reserve und die resultierende Aufwertung des Dollar auf

der Risikobereitschaft der Investoren lasten.

Deutlich wird dies auch im Unternehmensanleihemarkt, trotz der bereits hohen

Staatsanleiherenditen haben sich die Spreads zwischen Junk Bonds und Treasuries

auf Monatssicht deutlich ausgeweitet. Die Effekte der monetären Straffung und

die mangelnde Bereitschaft der Investoren, ihre Scheckbücher zu öffnen, lassen

sich hinreichend an der jüngsten Saga um den Leveraged Buy-out (LBO) des

Softwareherstellers Citrix ablesen. So stießen die beteiligten Banken unter

Führung von Bank of America und Credit Suisse im vergangenen Monat auf gewaltige

Schwierigkeiten, die zur Finanzierung des Deals aufgenommenen Schulden am Markt

abzuladen. Schnell kamen Zweifel daran auf, dass an der Wall Street im aktuellen

Marktumfeld überhaupt noch bedeutende Deals zu realisieren sind.

Knappe Liquidität

In dieser angespannten Lage ist die Erosion sicherer Anlagehäfen wie Treasuries

besonders folgenreich. Denn die Zeit adverser Schocks dürfte noch lange nicht

vorbei sein, neue geopolitische Verwerfungen oder eine weitere Eskalation der

bestehenden Konflikte bergen angesichts der knappen Liquidität nicht zu

vernachlässigende Gefahren für die Finanzmarktstabilität. Dies erkennen auch

Vertreter der Federal Reserve. Die stellvertretende Vorsitzende der Notenbank,

Lael Brainard, gelobte Ende September, die Währungshüter beobachteten

finanzielle Verwundbarkeiten genau.

Die Frage, vor der Anleger stehen, ist und bleibt aber, wann die Fed handelt.

Erste taubenhafte Stimmen aus dem Offenmarktausschuss deuten einen

geldpolitischen Umschwung im ersten Quartal 2023 an, wie auch Starinvestorin

Cathie Wood im Interview der Börsen-Zeitung betont. Überhaupt hätten sich trotz

der hohen Verbraucherpreise im Hintergrund bereits bedeutende deflationäre

Gefahren aufgebaut. Bleibt zu hoffen, dass die Fed diese ebenso energisch

bekämpft wie die Inflationsbeschleunigung.

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