27.12.2019 18:40:41

OTS: Börsen-Zeitung / Endspurt beim Ölpreis / Kommentar zur Marktentwicklung ...

Endspurt beim Ölpreis / Kommentar zur Marktentwicklung von Dieter

Kuckelkorn

Frankfurt (ots) - Der Ölpreis zeigt zum Jahresende hin eine bemerkenswerte

Entwicklung. Die wichtigste Nordseesorte Brent Crude ist inzwischen über die

Marke von 68 Dollar je Barrel geklettert. Dies ist der höchste Stand seit drei

Monaten. Die Notierung nimmt Kurs auf 70 Dollar. Sie würde damit das

Zwischenhoch von Mitte September von rund 69 Dollar hinter sich lassen und sich

den Niveaus von April und Mai von bis zu 75 Dollar annähern, die damals in

Zusammenhang standen mit extrem hohen politischen Spannungen am Persischen Golf.

Im Gegensatz zu damals sind es aktuell aber mehrere Faktoren, die den Ölpreis

antreiben. An erster Stelle zu nennen sind überraschend positiv ausgefallene

Konjunkturdaten. So sind in China die Gewinne in der verarbeitenden Industrie im

November um 5,4% gestiegen. Dies ist das stärkste Ergebniswachstum seit acht

Monaten. Dies wird als ein positives Zeichen gewertet, auch wenn längst noch

nicht klar ist, ob man bereits von einer konjunkturellen Wende zum Besseren im

Reich der Mitte sprechen kann.

Zudem deutet ein Rückgang der amerikanischen Lagerbestände an Rohöl in der

vergangenen Woche darauf hin, dass die Nachfrage nach dem Energieträger

einigermaßen robust ist. Für die USA gibt es auch noch andere Hinweise auf eine

konjunkturelle Lage, die besser sein könnte als gedacht: So zeigen erste

Umfragen, dass die Weihnachtseinkäufe wohl Rekordniveau erreicht haben könnten.

Außerdem ist die gegenwärtige deutliche Entspannung im amerikanisch-chinesischer

Handelsstreit ein wesentlicher Faktor, der die Rohstoffpreise, aber auch die

Aktienkurse antreibt. Nach 17 Monaten der Unsicherheit und der Konfrontation

soll nun bald die "Phase 1" einer Übereinkunft unterzeichnet werden.

Allerdings sollte nicht übersehen werden, dass es damit noch lange nicht eine

endgültige Beilegung des von der Trump-Administration vom Zaun gebrochenen

Handelsstreits gibt. Wahrscheinlich ist, dass die Entspannung nur bis nach den

amerikanischen Präsidentschaftswahlen anhalten wird. Dann könnte es eine neue

Verschärfung der Konfrontation geben, da die USA letztlich darauf angewiesen

sind, zur Verteidigung ihrer weltweit vorherrschenden Position China von ihren

Einflussgebieten abzukoppeln. Eine endgültige Einigung, die China Raum lässt für

den weiteren Aufstieg, liegt nicht im Interesse der USA, so dass die

US-Regierung wieder dazu übergehen könnte, China nach allen Kräften zu

bekämpfen.

Genauso ist es auch keineswegs sicher, dass die zuletzt wieder etwas

freundlicheren Konjunkturdaten aus vielen Regionen der Welt wirklich eine

nachhaltige Verbesserung darstellen und nicht nur eine kurzzeitige Erholung. Die

Gefahr einer weltweiten Rezession ist also noch keineswegs gebannt, zumal die

verarbeitende Industrie nach wie vor Schwäche zeigt. Dies alles könnte, so

glauben Analysten, den Ölpreis mittelfristig deckeln.

Hinzu kommt, dass viele Analysten davon überzeugt sind, dass auf dem globalen

Ölmarkt das Angebot die Nachfrage im ersten Halbjahr 2020 deutlich übersteigen

könnte. Dabei ist die Bereitschaft der meisten Mitglieder der Organisation Erdöl

exportierender Länder (Opec) und ihrer Verbündeten wie Russland zu weiteren

Kürzungen oder auch nur der Verlängerung der bestehenden Quoten nicht besonders

hoch ausgeprägt. So hat der russische Energieminister Alexander Nowak jetzt

wieder angemerkt, dass die gegenwärtigen Kürzungen der erweiterten "Opec plus"

nicht endlos weitergehen könnten. Es sei erforderlich, eine Entscheidung über

den graduellen Ausstieg aus den Kürzungen zu treffen, forderte er. Somit sieht

es trotz des jüngsten Preisanstiegs eher nach einer Seitwärtsbewegung des

Ölpreises aus.

Es gibt einen Faktor, der für einen sprunghaften Anstieg des Ölpreises sorgen

könnte. So ist es keineswegs ausgeschlossen, dass die geopolitischen Spannungen

in der Region rund um den Persischen Golf wieder stark zunehmen. Dafür gibt es

auch bereits wieder erste Anzeichen. So hat es der für den Nahen Osten

zuständige stellvertretende US-Außenminister David Schenker als Ziel der

Trump-Administration für 2020 postuliert, den Einfluss Russlands und Chinas in

der Region zurückzudrängen. Gleichzeitig vertiefen die beiden genannten Mächte

ihre Kooperation mit dem Iran als dem Hauptgegner der USA im Nahen Osten. Auch

in dieser Hinsicht dürften die Gefahr einer Verschärfung der Lage und die

Aussicht auf einen steigenden Ölpreis nach den Präsidentschaftswahlen wieder

zunehmen.

(Börsen-Zeitung, 28.12.2019)

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