28.02.2022 21:13:38

OTS: Börsen-Zeitung / Endlich abgeklemmt, Kommentar zu Swift von Tobias Fischer

Endlich abgeklemmt, Kommentar zu Swift von Tobias Fischer

Frankfurt (ots) - Endlich. Was vor kurzem noch undenkbar war, ist eingetreten:

Die EU zündet die "finanzielle Atombombe", klemmt Russland vom globalen

Finanznachrichtensystem Swift ab. Vorbehalte verflüchtigten sich angesichts der

Verbrechen, die Kremlführer Wladimir Putin und seine Entourage an den von ihnen

als Brudervolk bezeichneten Ukrainern verüben.

Selbstverständlich ist dieser Tage nichts mehr, eine Gewissheit nach der anderen

bröckelt, festungsgleiche, liebgewonnene politische Überzeugungen werden

geschleift, naive Sichtweisen aufgegeben, ewige Schönrednerei und Verharmlosung

russischer Aggression gehören der Vergangenheit an. Nun schicken Pazifisten

Waffen in die Ukraine, Wirtschaftsbosse und -verbände heißen Sanktionen gut,

Oberbedenkenträger nabeln sich vom Narrativ ab, einem Autokraten besser nicht in

die Parade zu fahren, um ihn bloß nicht zu provozieren.

Ein Swift-Ausschluss kann verheerende Folgen für eine Volkswirtschaft zeitigen -

daher die viel zitierte Rede von der Nuklearoption. Der Beschluss der

politischen Entscheidungsträger hat es also in sich. Gleichwohl: Komplett

abgeknipst wird Russland nicht von Swift, der Bann trifft ausgewählte

Bankhäuser. Welche das sind, war bislang nicht in Gänze in Erfahrung zu bringen.

Auch Brüssel wie Europas Finanzwirtschaft mussten sich am Montag noch sortieren,

nachdem übers Wochenende eine Flut an Lagebildern zu Russland und der Ukraine

und notwendigen Neubewertungen und Beschlüssen hereingebrochen war.

Klar ist auch: Swift ist ein Vehikel zur Nachrichtenübermittlung, kein Clearing-

und Transaktionsmittel. Theoretisch gibt es für die betroffenen Banken andere

Mittel und Wege, um Zahlungen zu avisieren - und sei es das gute alte Fax.

Allerdings ist das umständlich, teuer und für die meisten Partnerbanken wohl

inakzeptabel. Außerdem könnte China gestärkt aus dem westlichen Showdown mit

Russland hervorgehen, warnen Fachleute.

Doch selbst wenn dem so ist: Das ist es wert. Der Westen hat ungewohnt klare

Kante und bislang für unmöglich gehaltene Stärke gezeigt und beweist, dass er

sich von einem Autokraten nicht spalten und ein Land, das ums Überleben kämpft,

nicht im Stich lässt. Dafür ist fast jedes politische, diplomatische,

wirtschaftliche und finanzielle Mittel recht. Kosten und Kollateralschäden der

Swift-Entscheidung sind im Vergleich mit den Folgen durch unterlassene

Hilfeleistung für die Ukraine zu vernachlässigen. Europa und seine Banken müssen

dies verschmerzen können.

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