20.01.2020 19:06:41

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Eine Frage der Perspektive / Kommentar zur Bloomberg-Innovationsstudie

von Stefan Reccius

Frankfurt (ots) - Angela Merkel kann stolz nach Davos reisen. Pünktlich zum

Klassentreffen der Elite aus Politik und Wirtschaft, dem Weltwirtschaftsforum,

hat der Datenanbieter Bloomberg Deutschland zum Innovations-Weltmeister gekürt.

Im "Bloomberg Innovation Index 2020" hat die Bundesrepublik Südkorea von der

Spitze verdrängt. Das ist aller Ehren wert, zumal die Bloomberg-Ökonomen nicht

im Verdacht stehen, der Bundesregierung Gefälligkeitsgutachten auszustellen.

Doch blenden lassen sollte man sich davon nicht.

Innovation, das klingt nach Fortschritt und Wohlstandsversprechen. Aber auch

reichlich unspezifisch. Für Bloomberg ist es ein Sammelbegriff aus sieben

Kategorien. Dass Deutschland in der Summe vorn liegt, verdankt es vor allem drei

Kategorien: Bei Hightech-Dichte und Patenten sieht Bloomberg Deutschland auf

Rang 3. Die Deutschen sind hervorragend darin, brillante Ideen zu Papier zu

bringen. Nur, und das bleibt in dem Ranking außen vor: Es hapert an der

Kommerzialisierung, an Wagniskapital ebenso wie an Gründergeist. Laut

Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist die Zahl der Unternehmensgründungen

seit Jahren rückläufig. CSU-Politiker fordern jetzt einen Innovationsfonds mit

staatlich garantierter Verzinsung von zwei Prozent. So ehrenwert die Idee, so

durchsichtig ihr Antrieb: Sie wollen die Deutschen nicht etwa zu einem Volk der

Unternehmer machen, sondern die Sparweltmeister vor den Nullzinsen retten. Das

ist nicht die Mentalität eines Innovations-Champions.

Bloomberg adelt die Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe. Doch der um sich

greifende Protektionismus setzt der weltgewandten Industrie zu. Ein wesentlicher

Teil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung, weiterer Ausweis von

Innovationskraft, ist in der Autobranche gebündelt, die mit Milliarden zu

kaschieren versucht, dass sie die Mobilitätswende verschlafen hat. Ein

Klumpenrisiko, auch in Sachen Innovation.

Nichts sagt die Studie darüber, wie es um die Wettbewerbsfähigkeit bestellt ist.

Kaum irgendwo zahlen Unternehmen so viel für Strom. Die Steuerlast wird durch

die halbherzige Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags kaum geringer. Der

Fachkräftemangel ist ein Standortrisiko. Und in Sachen öffentliche Infrastruktur

wie schnelles Internet in der Breite rangiert Deutschland unter ferner liefen.

Sagt nicht Bloomberg, sondern: das Weltwirtschaftsforum in seinem jüngsten

Global Competitiveness Report. Da ist Deutschland auf den siebten Platz der

wettbewerbsfähigsten Länder zurückgefallen. Es ist alles eine Frage der

Perspektive.

(Börsen-Zeitung, 21.01.2020)

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