11.07.2022 20:30:39
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Die Geister, die er rief, Kommentar zur IG Metall von Anna Steiner
Frankfurt (ots) - Das Gespenst der Lohn-Preis-Spirale geistert schon seit Wochen
durch die deutsche Wirtschaft. Die IG Metall will es nun wissen. 8 Prozent mehr
Lohn sollen die rund 3,9 Millionen Beschäftigten der Branche bekommen.
Angesichts einer Inflationsrate von EU-harmonisiert 8,2 Prozent im Juni ist
diese Forderung alles andere als unverschämt. Gestiegene Lebensmittelpreise
und Energiekosten belasten schließlich nicht nur die Industrie, sondern gerade
auch die Privathaushalte. Die hohen Preise an der Zapfsäule und im Supermarkt
machen sich längst im Geldbeutel bemerkbar. Die gefühlte Inflation liegt
aktuellen Studien zufolge bei knapp unter 20 Prozent.
Die Begründung "Betriebe können steigende Kosten weiterreichen, Beschäftigte
nicht", mit der Jörg Hofmann, Vorsitzender der Industriegewerkschaft, die
Forderung nach einem satten Lohnplus zu untermauern versuchte, liest sich denn
auch nachvollziehbar. Allerdings nur auf den ersten Blick. Bei genauerem
Hinsehen beschwört der Gewerkschaftschef selbst das beste Argument gegen die von
den Arbeitgebern sogleich "realitätsfern" geschimpfte Lohnforderung.
Denn die Betriebe können ihre Mehrkosten in der Tat weitergeben - und das werden
sie auch tun. Erst recht, wenn sie zusätzlich zu gestiegenen Energie- und
Logistikkosten auch noch mehr für ihre Mitarbeiter berappen müssen. Dafür
bezahlen wird dann der Verbraucher - und damit auch wieder der Arbeitnehmer, dem
vom höheren Gehalt dann am Monatsende erneut weniger bleibt. Eine klassische
Lohn-Preis-Spirale nähme Fahrt auf. Die Sorge davor ist längst auch in der
Politik angekommen: Nicht zuletzt deshalb versucht Bundeskanzler Olaf Scholz
derzeit, mithilfe einer "konzertierten Aktion" die gestiegenen Preise,
Lohnforderungen der Gewerkschaften und Bedürfnisse der Wirtschaft an einen Tisch
und unter einen Hut zu bekommen. Dass Entlastung hermuss, ist keine Frage. Die
Tarifpolitik allein kann das aber nicht leisten.
Der IG Metall täte - nach zugegebenermaßen eher mageren Coronajahren - eine
Portion Geduld gut. Wie das geht, hat die Chemiebranche vorgemacht. Hier
einigten sich die Sozialpartner als Brückenlösung auf eine üppige Einmalzahlung
- explizit aufgrund der Unsicherheit durch den russischen Angriffskrieg in der
Ukraine und die stark steigenden Preise. Erst im Herbst wird weiterverhandelt.
In Zeiten steigender Preise für die Arbeitnehmer mehr Geld zu fordern ist mehr
als legitim. Bleibt zu hoffen, dass die Geister, die Hofmann rief, ihn nicht
einholen.
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