05.03.2021 19:10:38

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Der Coup der Opec / Kommentar zur Entwicklung des Ölpreises von Dieter

Kuckelkorn

Frankfurt (ots) - Mit dem Ergebnis des jüngsten Ministertreffens ist dem

Produzentenkartell "Opec plus" ein Überraschungscoup gelungen. Die Mehrzahl der

professionellen Ölmarktbeobachter ist davon ausgegangen, dass die Staatengruppe

die Produktion um 1,5 Mill. Barrel pro Tag (bpd) anhebt. Dazu ist es jedoch

nicht gekommen. Zumindest für den Monat April wird die Produktion auf dem

gegenwärtigen Niveau gehalten, wobei Saudi-Arabien sogar seine zusätzlichen

freiwilligen Kürzungen um 1 Mill. bpd beibehält.

Der Ölmarkt hat darauf sehr deutlich reagiert. Die Notierung der weltweit

wichtigsten Rohölsorte Brent Crude bewegt sich nun zügig auf die Marke von 70

Dollar je Barrel zu. In der Spitze wurden am Freitag 69,35 Dollar erreicht. Dies

ist der höchste Stand seit 14 Monaten. Insofern lässt sich von einer geschickten

Steuerung des Ölmarktes durch die beiden Schwergewichte der "Opec plus",

Russland und Saudi-Arabien, unter Ausnutzung der fundamentalen Gegebenheiten

sprechen.

Eine große Rolle spielt dabei, dass sich die Ölnachfrage zu einem relativ großen

Teil erholt hat, auch wenn die Coronakrise noch lange nicht vorüber ist. War auf

dem Höhepunkt der ersten Pandemiewelle bezogen auf den Durchschnittsverbrauch

von 2019 eine Nachfrage von 22 Mill. bpd ausgefallen, so fehlen aktuell noch 4

bis 5 Mill. bpd. Bis zum Herbst soll die Verbrauchsminderung gerade noch 1 Mill.

bpd betragen.

Was das Angebot betrifft, zeichnet sich die Opec derzeit durch eine Disziplin

bei der Einhaltung der Förderquoten aus, die es in den Jahrzehnten seit ihrer

Gründung eigentlich fast nie gegeben hat. Hinzu kommt, und das ist die

eigentliche Überraschung, dass auf den kräftigen Preisanstieg hin nur eine

unterdurchschnittliche Erholung der amerikanischen Schieferölförderung

eingetreten ist. Offensichtlich hat sich das Verhalten der Schieferölproduzenten

verändert: Es geht nicht mehr um Anhebung der Förderung um fast jeden Preis,

sondern um eine nachhaltigere Positionierung und die Erzeugung von Shareholder

Value. Auch scheinen sich die Förder- und Exportmengen des Iran kaum zu erholen,

da die USA ihre Sanktionen nicht lockern.

Vor diesem Hintergrund haben sich die zusätzlichen Fördereinschränkungen der

Saudis ausgezahlt, wie die Analysten von Goldman Sachs vorrechnen: Seit dem 5.

Januar ist der Ölpreis um 25 % gestiegen, während die saudi-arabische

Ölproduktion nur um 9 % gesunken ist. In der gleichen Zeitspanne sind die

weltweiten, gegenüber der Zielgröße der Opec überschüssigen Lagerbestände an

Rohöl um 56 % gesunken. Die Analysten von Goldman Sachs sind daher für den

Ölpreis weiterhin sehr zuversichtlich gestimmt, sie haben ihre Prognose für den

Brent-Ölpreis um jeweils 5 Dollar je Barrel auf 75 Dollar für das zweite Quartal

und 80 Dollar für das dritte Quartal angehoben. Dabei verweisen sie auch auf die

hohe Backwardation, also den Zustand, bei dem bei den Ölkontrakten die kurzen

Laufzeiten deutlich höher notieren - ein Zeichen von Knappheit.

Allerdings gibt es für die weitere Entwicklung des Ölpreises zwei wesentliche

Unsicherheitsfaktoren. Zum einen, so merkt Eugen Weinberg von der Commerzbank

an, könnte es sich erweisen, dass die "Opec plus" den Bogen überspannt und der

starke Anstieg des Ölpreises auf die nach wie vor anfällige konjunkturelle

Erholung durchschlägt.

Zum anderen gibt es derzeit nicht nur an den Märkten für Industriemetalle,

sondern auch bei Rohöl spekulative Übertreibungen. So betonen die Analysten von

J.P. Morgan, der Ölpreis sei den fundamentalen Gegebenheiten um zwei Quartale

bzw. um 4 Dollar je Barrel vorausgeeilt. Insofern ist nicht auszuschließen, dass

es auch am Ölmarkt zu Turbulenzen kommt, wie sie derzeit an den Metallmärkten zu

beobachten sind.

(Börsen-Zeitung, 06.03.2021)

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