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17.06.2022 20:35:48

OTS: Börsen-Zeitung / Déjà-vu 2012, Marktkommentar von Kai Johannsen

Déjà-vu 2012, Marktkommentar von Kai Johannsen

Frankfurt (ots) - Für die Finanzmärkte ist es eine heftige Woche mit deutlichen

Marktreaktionen gewesen. Die Fed erhöht den Leitzins im Kampf gegen die

Inflation in einem Ausmaß, wie es seit dem vorigen Jahrhundert nicht mehr

gesehen wurde - weit weg also von den Trippelschritten, die man in den

vergangenen 28 Jahre gewohnt war. Auch die SNB hob den Leitzins an, und die BoE

tat es ihr gleich. Die EZB kam hingegen zu einer Sondersitzung zusammen, um den

Ausverkauf an den Staatsanleihemärkten - und vermutlich nicht nur dort - zu

beraten.

Klar, dass den europäischen Währungshütern diese Entwicklung Sorgenfalten auf

die Stirn treibt. Die zehnjährige Bundrendite hat sich in den vergangenen Wochen

erst nicht nur der 1-Prozent-Marke genähert und sie auch übersprungen, sie ist

nun in Richtung 2 Prozent unterwegs. Das allein mag ja noch nicht so schlimm

sein, ist doch auch zu be­ob­achten, dass sicherere Staatspapiere der Eurozone

bei höheren Renditeniveaus auch wieder Käufer zu Investments ermuntern. Das

bremst Renditeanstiege wieder ab. Aber auch in der Eurozonenperipherie klettern

die Renditen der Staatsbonds der betreffenden Länder weiter: So etwa bei Italien

- hier wurde die 4-Prozent-Marke zwischenzeitlich schon wieder überschritten.

Aber auch bei Spanien, Portugal und Griechenland haben sich die Sätze im

zehnjährigen Bereich seit Wochen von ihren Böden abgesetzt. Vorbei also die

Zeiten für die schwächeren Länder, in denen sie die Gelder am Markt für nichts

oder noch mit Parkgebühr hinterhergeschmissen bekamen. Schuldenmachen zum Null-

oder Negativtarif ad acta.

Verständlich, dass die EZB jetzt auf den Plan tritt. Es gibt wieder die Sorge,

dass einzelne Länder genau diese neuen Marktbedingungen nicht mehr schultern

können. Euroschuldenkrise 2.0 - sie könnte wo­mög­lich bald vor der Tür stehen.

Die Notsitzung der EZB weckt die Erinnerung an Mario Draghis "Whatever it

takes", um den Euro zu schützen. Manch einer in der EZB wird dieses Déjà-vu aus

dem Juli 2012 sicher in diesen Tagen gehabt haben.

Ohne Frage kam durch die An­kündigung eine gewisse Beruhigung in den Markt, aber

die Betonung muss auf "gewisse" liegen. Denn die Renditen stiegen wieder an, und

zwar querbeet im gesamten Euroraum. Die Spreads weiteten sich gegenüber

Bundesanleihen aus, aber nicht katastrophal, da ja auch die Renditen der

Bundesanleihen stiegen. Die EZB will nun also in den Markt eingreifen, Akteure

beruhigen. Die Gelder aus auslaufenden Anleihen sollen reinvestiert werden. Das

sollte die Renditeanstiege bei solchen Papieren bremsen, bei denen sie schon

sehr weit fortgeschritten sind. Leicht abzuschätzen, wer das wohl in der

Eurozone sein könnte. Und ein Antifragmentierungsinstrument soll es für den

Bondmarkt geben. Details über die Ausgestaltung dieses neuen Instruments

be­hielt die Mannschaft um EZB-Präsidentin Christine Lagarde aber am Mittwoch

noch für sich. Das dürfte dann in den kommenden Tagen so weit sein.

Aber auch bei diesem neuen Instrument dürften die Euro-Währungshüter - wie der

Name des Instruments schon sagt - darauf abzielen, dass die Renditen der

schwächeren Länder nicht zu weit auseinanderlaufen, also die Spreads zu Bunds

nicht gefährliche Ausmaße annehmen. Wo werden die EZB-Verantwortlichen dann wohl

eingreifen? Vermutlich am Sekundärmarkt und auch am Primärmarkt, um über ein

breites Kaufspektrum die größtmögliche Wirkung zu erzielen. Und die angestrebte

Wirkung wird sein: Die Renditen nach unten drücken - egal wie. Denn es geht

einerseits darum, dem Staatsschuldner selbst er­trägliche Konditionen für die

Kreditaufnahme zu ermöglichen angesichts ihrer hohen Schuldenlast. Aber im

zweiten Schritt geht es auch um alle anderen Schuldner, die ihre Konditionen an

den risikolosen und deutlich gestiegenen Sätzen ausrichten: Unternehmen, Banken

etc. Der Primärmarkt ist in den vergangenen Tagen völlig lethargisch gewesen -

Emittenten wagen sich nur vereinzelt aus der Deckung.

Und nun wird es in den kommenden Tagen wieder sehr interessant, wie sich das

Emissionsgeschehen der Staaten der Eurozone, insbesondere der

Eurozonenperipherieländer, entwickeln wird, also in den regulären

Staatsanleiheauktionen. Das wird womöglich viele Signale bieten. Steigen die

Renditen noch weiter an? Den halben Weg bis zur Grenze, an der sie seinerzeit

die Hand hoben und signalisierten, dass die Konditionen nicht mehr tragbar sind,

hat der eine oder andere ja schon zurückgelegt. Denn bei 7 Prozent im

zehnjährigen Laufzeitenbereich musste in der Staatsschuldenkrise die EFSF -

heute ESM - eingreifen. Hoffentlich kommt es nicht so weit.

Pressekontakt:

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www.boersen-zeitung.de

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/30377/5251139

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