22.04.2022 20:29:38

OTS: Börsen-Zeitung / Das Risiko Schuldenberg, Marktkommentar von Kai Johannsen

Das Risiko Schuldenberg, Marktkommentar von Kai Johannsen

Frankfurt (ots) - Es wird immer wieder thematisiert, aber ein Thema mit

Marktimplikationen ist es für die Finanzmärkte bislang nicht geworden: die

globale Verschuldung der Staaten. Sie hat in den vergangenen Jahren deutlich

zugelegt. Und die Kapitalmärkte, die von billigem Geld der Zentralbanken im

Rahmen von Quantitative Easing nur so überschwemmt wurden, haben den Staaten

diese immer größer werdenden Schuldenberge, ohne auch nur die geringste Skepsis

oder Zurückhaltung zu zeigen, bequem ermöglicht, wie immer wieder aus den Nähten

platzende Orderbücher zuhauf bestätigten.

Gemäß dem Sovereign Debt Index von Janus Henderson, der Anfang April vorgelegt

wurde, stieg die weltweite Staatsverschuldung 2021 auf 65,4 Bill. Dollar, da

alle Länder mehr Kredite aufnahmen. Währungsbereinigt ergibt sich ein Anstieg um

7,8 Prozent. Der Sovereign Debt Index ist eine Langzeitstudie über die

Entwicklung der weltweiten Staatsverschuldung, die sich daraus ergebenden

Anlagemöglichkeiten und die damit verbundenen Risiken. Der Index ermittelt den

Umfang, zu dem sich die Staaten weltweit mit Anleihen finanzieren, wie

erschwinglich und nachhaltig diese sind, und vergleicht Trends.

Die Eckpunkte dieser Analyse lassen durchaus aufhorchen. In der Zeit der

Pandemie, die nun gut zweieinhalb Jahre andauert, ist die weltweite

Staatsverschuldung allein schon um ein Viertel geklettert. Doch mit den

notwendigen Ausgaben für Gesundheitssysteme und die Aufrechterhaltung der

Wirtschaft gibt es hierfür triftige Gründe. Das allein hat jedoch nicht zu

diesem hohen Schuldenstand geführt. Der Trend dauert ja schon länger an. Die

Staatsschulden haben sich gemäß der Analyse in zwei Jahrzehnten verdreifacht.

Und nur Wirtschaftsaufschwüngen ist es zu verdanken, dass die Schuldenquote

gemessen am Bruttoinlandsprodukt vielerorten nicht auf Niveaus kletterte, die

zumindest einmal hochgezogene Augenbrauen hätten hervorrufen müssen. "Ein

starker Wirtschaftsaufschwung führte dazu, dass sich die globale Schuldenquote

von 87,5 Prozent im Jahr 2020 auf 80,7 Prozent im Jahr 2021 verbesserte", so

Janus Henderson. Die Prognosen sind allerdings alles andere als beruhigend: Die

Staatsverschuldung soll 2022 um 9,5 Prozent steigen, wobei der Großteil des

Anstiegs auf die USA, Japan und China entfällt. Die Zinskosten der Staaten

werden dieses Jahr weltweit um 14,5 Prozent währungsbereinigt steigen.

Ohne Frage hat der Trend fallender Zinsen bzw. Renditen von Staatsanleihen diese

Entwicklung begünstigt. Staatstitel von Emittenten mit Top-Bonität wie etwa dem

Bund werden an den Märkten seit mehr als einem Jahrzehnt mit negativen Renditen

gehandelt, aus denen sie sich erst jüngst herausbewegten. Negativzinsen betrafen

viele Emittenten. Schuldenmachen war also attraktiv: Finanzministerien bekamen

nicht nur den Kreditbetrag an den Märkten hinterhergeschmissen, sondern auch

noch Zinsen als Parkgebühr von den Anlegern bezahlt. Keinen Kredit aufzunehmen

muss manchen ja schon töricht vorgekommen sein, vor allem als negative Zinsen

auch noch für die schlechteren Bonitäten Realität wurden.

Kann das so weitergehen angesichts restriktiver werdender Zentralbanken? Auf

kurze Sicht ist an den Märkten wohl kein Ungemach einzukalkulieren im Sinne

eines Käuferstreiks am Bondprimärmarkt. Höhere Renditen locken Anleger ja

geradezu an, denn endlich lässt sich wieder eine positive Rendite einstreichen

statt der Berechnung einer Parkgebühr. Das hält auch den Renditeanstieg

zumindest etwas im Zaum.

Aber was passiert auf längere Sicht? Da tut sich ein Dilemma auf. Die

Notenbanker müssen die Inflation in den Griff bekommen, sind durch Pandemie und

Ukraine-Krieg allerdings mit Rezessionsgefahren konfrontiert. Zu stark dürfen

die Leitzinsen nicht angehoben werden, wenn die Wirtschaft nicht auf Talfahrt

gehen soll. Im Gegenteil: Vielleicht wird sogar wieder Unterstützung

erforderlich. Und auch die Staaten werden wiederum eingreifen müssen - mit

Konjunkturprogrammen etwa. Höhere Zinsen in Form von Staatsanleiherenditen, die

die Erwartung über die Leitzinsentwicklung/Notenbankpolitik reflektieren, kommen

da nicht gerade recht.

Bleibt noch, das Sentiment der Anleger ins Kalkül zu ziehen. Und hierbei stellt

sich der Investor die Frage: Entschädigt die Rendite für das übernommene Risiko?

Und dieses Risiko ist die Schuldentragfähigkeit, bei der der - steigende -

Schuldenberg neben dem ebenfalls steigenden Zins die maßgebliche Determinante

ist. Keine rosige Perspektive.

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