08.07.2019 20:05:40

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Börsen-Zeitung: Wenig Beinfreiheit / Kommentar zum neuen Premier in

Griechenland von Andreas Heitker

Frankfurt (ots) - Die griechischen Bürger haben sich für einen

politischen Neustart entschieden und - wie erwartet - die Regierung

unter der Führung von Alexis Tsipras abgewählt. Sein Nachfolger

Kyriakos Mitsotakis, Chef der konservativen Nea Dimokratia, ist

bereits gestern vereidigt worden und hat dann auch gleich erste

Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft angekündigt. Das ist gut,

denn in dem hoch verschuldeten Land liegt weiter viel im Argen - in

der Steuerpolitik, in den Sozialsystemen, im Bankensektor. Je

schneller hier etwas passiert, umso besser.

Mitsotakis sollte aber auch rasch das Gespräch mit seinen

europäischen Partnern und Kreditgebern suchen. Denn diese sind seit

Wochen in tiefer Sorge über die Entwicklung in Griechenland, nachdem

die Regierung Tsipras die Umsetzung einer eigentlich geplanten

Steuerreform aufgeschoben und zugleich im Mai noch ein Ausgabenpaket

beschlossen hat, das 2019 und darüber hinaus mehr als 1% der gesamten

Wirtschaftsleistung kostet. Die Regierung in Athen behauptet zwar,

die versprochenen Haushaltsziele für dieses Jahr würden dennoch

erreicht. Die Analysen von Europäischer Kommission, Europäischer

Zentralbank, Europäischem Stabilitätsmechanismus und auch des

Internationalen Währungsfonds sprechen hier aber eine andere Sprache.

Noch nicht einmal ein Jahr nach dem Ende des letzten

Rettungsprogramms sieht es für viele so aus, als wolle Athen die

vereinbarten Konditionen schon wieder aufweichen. Der Zwischenbericht

zum Stand der Reformen, den die Eurogruppe gestern diskutiert hat,

spricht da Bände. Natürlich ist es nicht so leicht, bis 2022

jährlich einen Primärüberschuss im Haushalt - also ohne den

Schuldendienst - von 3,5% zu erzielen. Aber im Gegenzug zu diesem

Versprechen hatte Griechenland im vergangenen Jahr weitere

Schuldenerleichterungen und einen Finanzpuffer zum Ausstieg aus den

Hilfsprogrammen von 24 Mrd. Euro erhalten.

Mitsotakis sollte gar nicht erst anfangen, über Nachverhandlungen

dieses Pakets nachzudenken. Und wenn er jetzt über Steuersenkungen

und höhere Renten spricht, ist ihm hoffentlich bewusst, dass seine

finanzielle Beinfreiheit äußerst gering ist. Für Wahlgeschenke reicht

diese nicht. Von den Reformen der nächsten Monate und vom

Haushaltsplan 2020 hängt in Griechenland viel ab. Nur wenn

Mitsotakis hier keine Fehler macht, wird er auch außerhalb seines

Landes Vertrauen aufbauen, das für die weitere Rückkehr an die Märkte

so wichtig ist.

(Börsen-Zeitung, 09.07.2019)

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