01.09.2017 20:36:41

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Börsen-Zeitung: Verlangsamter Ausstieg der EZB, eine Marktanalyse von

Kai Johannsen

Frankfurt (ots) - An den Kapitalmärkten sticht eine Entwicklung

derzeit besonders hervor: die Stärke des Euro. Notierte die

Gemeinschaftswährung zu Beginn dieses Jahres noch um die 1,05 Dollar,

wurde in der gerade abgelaufenen Handelswoche die Marke von 1,20

Dollar übersprungen. Mit 1,2069 Dollar wurde der höchste Stand seit

Anfang 2015 erreicht. Die Aufwertung des Euro gegenüber dem Greenback

erfolgte aber nicht kontinuierlich während des gesamten

Jahresverlaufs 2017. Vielmehr bewegte sich der Euro bis etwa Ende

April seitwärts bei 1,04 bis 1,07 Dollar. Dann setzte er zu seiner

Aufwärtsbewegung an, die im Sommer an Fahrt gewann.

Gemessen an den Freitagskursen hat der Euro (1,1929) in diesem

Jahr eine Aufwertung von knapp 14 Prozent hingelegt. Das ist schon

recht ordentlich. Kein Wunder also, dass der Euro derzeit eines der

Hauptgesprächsthemen an den Märkten ist - neben geopolitischen

Risiken, aktuell etwa die Spannungen zwischen den USA und Nordkorea.

Analysten haben ihre ursprünglichen Prognosen bezüglich des

Euro-Dollar-Paars auch über den Haufen geworfen. So mancher hatte da

ja noch die Parität im Sinn. Mehr und mehr sehen die Experten denn

auch einen Einfluss der Euro-Stärke auf die Konjunktur. Ein stärkerer

Euro gilt etwa für Rainer Guntermann, Zinsexperte aus dem Hause der

Commerzbank, als Belastungsfaktor für Wachstum und

Inflationsentwicklung, auch wenn das nicht sofort der Fall sei.

Und die Euro-Stärke verkompliziere den Ausstieg der Europäischen

Zentralbank (EZB) aus ihrer unkonventionellen Geldpolitik - auch

Quantitative Easing (QE) genannt. Für Guntermann bedeutet dies einen

vorsichtigen QE-Ausstieg. Das sei wiederum ein positiver Effekt für

die Anleihemärkte. Mit anderen Worten: Die EZB wird wohl - sehr -

viel langsamer die Anleihekäufe zurückfahren, die Unterstützung der

unkonventionellen Geldpolitik ist für die Bondmärkte im Umkehrschluss

länger vorhanden. Das trieb in den vergangenen Tagen die Renditen am

Euro-Staatsanleihemarkt wieder nach unten. Die Rendite der

zehnjährigen Bundesanleihe sah im August ihren stärksten monatlichen

Rückgang seit einem halben Jahr.

Und die Euro-Stärke würde - so die Gerüchteküche an den Märkten -

Verantwortlichen bei der EZB zunehmend Sorgenfalten auf die Stirn

treiben. Es könnte durchaus sein, dass EZB-Chef Mario Draghi auf der

Pressekonferenz im Anschluss an die nächste Zinssitzung der EZB, die

am Donnerstag der neuen Handelswoche stattfindet, die Euro-Stärke

thematisiert, meinen Analysten.

Draghi könnte auf der Pressekonferenz verbal gegen eine anhaltende

Aufwertung des Euro intervenieren, so die Commerzbank-Experten.

Vorbild könnte die Reaktion der EZB im Frühjahr 2014 sein, als der

Euro auf fast 1,40 Dollar gestiegen war. Damals hob die Notenbank den

Euro-Anstieg in ihrer Risikoeinschätzung in den einleitenden

Bemerkungen explizit hervor. Der EZB-Rat werde die möglichen

Auswirkungen der Wechselkursentwicklung auf die Aussichten für die

Preisentwicklung "genau beobachten". Zusätzlich betonte der

EZB-Präsident während der Pressekonferenz, dass der Wechselkurs für

die Preisniveaustabilität "sehr wichtig" sei, schreiben die Experten

in ihrem wöchentlichen Ausblick hinsichtlich der anstehenden

EZB-Sitzung.

So wie ein schwacher Euro gut für die Preisentwicklung ist, - auch

wenn die EZB nicht offiziell kundtat, dass sie einen schwachen Euro

anstrebt, - so ist ein starker Euro nun umgekehrt eher schädlich. Das

bedeutet: Die geldpolitische Unterstützung könnte länger als gedacht

erforderlich sein, sollte sich die Aufwertung der

Gemeinschaftswährung in den kommenden Wochen fortsetzen.

Trotzdem gehen die meisten Experten davon aus, dass die EZB auf

der nun anstehenden Sitzung erste Signale hinsichtlich des Ausstiegs

geben könnte und sich dabei aber alle Optionen offenhält - wie immer.

Die Rückführung der Anleihekäufe könnte bei der Oktobersitzung

beschlossen werden. Ab 2018 könnte sie dann Realität werden. Über das

Ausmaß der Reduktion der monatlichen Bondkäufe gehen die Meinungen

der Experten aber auseinander.

Um den EZB-Ausstieg aus den Anleihekäufen für die Märkte

erträglicher zu machen, könnte es durchaus sein, dass die EZB die

Reinvestition ausgelaufener Bonds beschließt. Und das könnte noch

eine gute Unterstützung für die Märkte bedeuten. Laut Berechnungen

der Analysten von ABN Amro könnte sich das Volumen derartiger

Transaktionen in den nächsten drei Jahren auf 640 Mrd. Euro belaufen.

Das bremst einen Renditeauftrieb ab, der ja nicht gerade von der EZB

angestrebt wird.

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