23.06.2016 20:50:40
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Börsen-Zeitung: Trau, schau, wem, Kommentar zum Brexit von Andreas
Hippin
Frankfurt (ots) - Aufgabe eines Buchmachers ist nicht, die
Realität abzubilden, sondern Gewinn zu erwirtschaften. Zu den großen
Absonderlichkeiten des britischen Referendums über die
EU-Mitgliedschaft gehört, in welchem Maße man an den Finanzmärkten
auf die Weisheit der Wettanbieter setzt. An der mangelnden
Treffsicherheit der Meinungsumfragen allein kann das nicht liegen.
Vermutlich sieht man die Parallelen zum eigenen Geschäft. Dann stellt
sich allerdings die Frage, warum man an der Fiktion festhält, dass
jemand, der Geld auf irgendetwas setzt, sich das vorher gut überlegt
hat. Schließlich sprechen die immer wiederkehrenden Finanzkrisen
dafür, dass davon oft keine Rede sein kann.
Zudem wäre ein bisschen mehr Due Diligence angebracht, denn wenn
man sich den Markt für Brexit-Wetten genauer ansieht, stellt man
fest, dass lediglich um die 20 Mill. Pfund gesetzt worden sind.
Angesichts der Tragweite der bevorstehenden Entscheidung und des weit
verbreiteten Glaubens an die Aussagekraft der Quoten der Buchmacher
sollte man davon ausgehen, dass jemand versuchen wird, sie in seinem
Sinne zu bewegen - zumal dafür kein besonders hoher Einsatz
erforderlich wäre. Es wäre billiger und effizienter als eine
PR-Kampagne für den Verbleib oder Austritt aus der
Staatengemeinschaft. Aber auch Finanzakrobaten eröffnet die
Möglichkeit, auf diese Weise indirekt an den Kursen am Finanzmarkt zu
drehen, attraktive Gewinnchancen.
Wie das gehen soll? Wer ein paar Mal vergleichsweise große Beträge
zum Wettbüro trägt, kann die Quote in eine bestimmte Richtung
treiben, denn der Buchmacher will kein Geld verlieren. Am besten
macht man das lange vor dem fraglichen Ereignis, denn die meisten
Wetten werden in der Regel kurz davor abgegeben. Theoretisch wäre das
durchaus möglich, räumt man in der Branche ein. Man habe dafür aber
keine Anhaltspunkte. Es gebe zahlreiche Anbieter und Schutzmaßnahmen
gegen Manipulation.
Buchmacher gingen mit Blick in ihre Kassen schon früh von einem
Sieg von "Remain" aus. Die Quoten ähneln sich. Drei Viertel des bei
William Hill abgegebenen Geldes wurden auf den Verbleib gesetzt. Bei
der Zahl der Einzelwetten war das Verhältnis umgekehrt. Drei Viertel
der Kunden setzten auf den Brexit. Bei den Wahlen im vergangenen Jahr
hatten die Wettanbieter den Erdrutschsieg David Camerons so nicht auf
der Rechnung. Zu den spannenden Fragen des heutigen Tages gehört, wie
viel Vertrauen man ihnen künftig noch entgegenbringen wird.
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