18.01.2016 20:26:39
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Börsen-Zeitung: Teure Selbstfindung, Kommentar zu Polen von Detlef
Fechtner
Frankfurt (ots) - Alle diejenigen, die den
"Rechtsstaatsmechanismus" der EU als wirkungslosen Papiertiger
abgetan haben, werden gerade eines Besseren belehrt. Denn das
Instrument, mit dem die EU-Kommission dieser Tage erstmals am
Beispiel Polens offiziell überprüft, ob eine nationale Regierung sich
an die Grundprinzipien des Staatenbunds hält, wirkt durchaus. Polens
Präsident Andrzej Duda bemühte sich bei seinem Besuch in Brüssel, die
Wogen zu glätten - erkennbar in der Sorge, dass der Streit eskaliert
und vor allem Polen schädigt. Konsterniert muss man in Warschau
nämlich registrieren, dass die eigenwillige Regierungsführung bereits
kurzfristig einen hohen Preis hat.
Nach der Herabstufung Polens durch die Ratingagentur Standard &
Poor's - bekanntermaßen keine Organisation von
Bürgerrechtsaktivisten, sondern ein Unternehmen zur Prognose von
Ausfallwahrscheinlichkeiten - schnellten gestern die Anleihespreads
in die Höhe. Das macht die Schuldenaufnahme des polnischen Staats
spürbar teurer. Die Teilentmachtung des Verfassungsgerichts und der
Verdacht, die staatlichen Medien lenken zu wollen, sorgen für
Verunsicherung - bei Kreditgebern ebenso wie bei Investoren. Und da
mancher ohnehin besorgt ist, weil Polen im Verdacht steht,
nachträglich Wechselkursrisiken auf Banken abzuwälzen, muss Polen
befürchten, dass das Vertrauen in die Verlässlichkeit des Standorts
generell schwindet.
Diejenigen, die das Land etwas näher kennen, beschreiben die
politischen Ereignisse in Warschau als Ausdruck einer
Identitätssuche. Im Tauziehen zwischen Tradition und Moderne,
zwischen europäischer Integration und polnischem Nationalismus bemüht
sich das sechstgrößte Mitglied der EU um seine politische
Standortbestimmung - und wie üblich geht eine solche Selbstfindung
einher mit zwischenzeitlichen Irrläufen.
Noch entwickelt sich das Land wirtschaftlich dynamisch und wird
von den meisten EU-Partnern um sein Wachstum beneidet. Erodiert
jedoch das Vertrauen in den Standort, könnte sich das ändern. Die
Regierung ist daher gut beraten, sich selbst umgehend auf jenen
konstruktiven Dialog einzulassen, den Präsident Duda in Brüssel
einforderte. Bereits heute hat Regierungschefin Beata Szydlo die
Chance, ihre Gesprächsbereitschaft unter Beweis zu stellen. Denn sie
trifft - anders als Duda - nicht auf einen ohnehin wohlgesinnten
Landsmann wie den EU-Ratspräsidenten Donald Tusk. Sie muss sich
vielmehr im EU-Parlament auf einen wesentlich unbequemeren Empfang
einstellen.
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