22.07.2014 20:48:47
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Börsen-Zeitung: Schuldenorgie ohne Ende, Kommentar zur Euro-Krise von
Bernd Wittkowski
Frankfurt (ots) - Es soll ja Frohnaturen geben, die sich nur allzu
gerne der Illusion hingeben, die Euro-Schuldenkrise sei im
Wesentlichen überwunden. An den Finanzmärkten trifft man solche
Zeitgenossen. Wenn nicht, wie zuletzt in Portugal, gerade mal die
Schieflage einer namhaften Bank aufpoppt, werfen sie sogar Ländern in
der Euro-Peripherie das Geld zu Konditionen hinterher, als sei die
Vokabel "Risiko" aus dem Wortschatz gelöscht worden. Staatsanleihen
werden geradezu "ohne Rücksicht auf Verluste" gekauft. Und das auch
im Wortsinn der Redensart: Sieht man mal von dem unschönen
Zwischenfall des Schuldenschnitts für Griechenland ab, sind Verluste
ja tatsächlich so gut wie ausgeschlossen. Dafür wird schon die EZB
sorgen, die ohnehin die Investments mit Liquidität für lau
alimentiert.
Wir wollen fair sein: Ja, es gibt hin und wieder gute Nachrichten.
Irland und Portugal haben den Rettungsschirm verlassen, Griechenland,
wo die Krise 2009 zuerst ruchbar wurde, meldet einen Primärüberschuss
im Haushalt, die Konjunktur zeigt hier und da Erholungstendenzen,
einzelne ehrliche Reformanstrengungen in Hauptstädten der Eurozone
sind nicht zu bestreiten. Doch leider holen Statistikämter wie
Eurostat Politiker, Marktteilnehmer und das Publikum regelmäßig auf
den Boden der Tatsachen zurück und führen den Nachweis, dass das
Kernproblem auch nicht ansatzweise gelöst ist: Ende März hat der
öffentliche Schuldenstand im Euroraum mit fast 94% des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) den höchsten Stand seit Einführung der
Gemeinschaftswährung erreicht. Eine Verschuldung von maximal 60% der
Wirtschaftsleistung ist bekanntlich die 1991 vereinbarte Marke, die -
neben anderen Kriterien - ein Land dafür qualifiziert, in den
Euroclub aufgenommen zu werden. Stattdessen haben sich seit dem Start
des Währungsverbundes 1999 beispielsweise Deutschland von rund 61 auf
77%, Frankreich von 59 auf 97% oder Italien von 113 auf 136% des BIP
"vorgearbeitet".
Was lehrt das? Von wenigen Ausnahmen wie Estland oder Lettland
abgesehen leben die meisten Euro-Staaten trotz der chronischen Krise
unverdrossen über ihre Verhältnisse; die Schuldenorgie geht weiter,
von einem ernsthaften Willen, Einnahmen und Ausgaben ins
Gleichgewicht zu bringen, kann nicht im Entferntesten die Rede sein.
Die billionenschwere implizite oder verdeckte Staatsverschuldung und
die Frage, ob Schulden mit Rücksicht auf die jüngeren Generationen
nicht eigentlich abgebaut werden müssten, wollen wir hier noch gar
nicht thematisieren. So sieht die Realität der Euro-Schuldenkrise
anno 2014 aus.
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