08.06.2015 20:30:39

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Börsen-Zeitung: Neues aus dem Taubenschlag, Kommentar zur Deutschen

Bank von Bernd Wittkowski

Frankfurt (ots) - Sepp Blatter, Günther Jauch, Gregor Gysi - und

nun auch noch Anshu Jain und Jürgen Fitschen: Götter-, zumindest

Vorsitzendendämmerung. Ein wenig ist der Rücktritt jedenfalls eines

der beiden Co-Chefs eine Art Blatterisierung der Deutschen Bank.

Deren langjähriger oberster Investmentbanker rief zwar auf der

Hauptversammlung nicht: "Let's go Deutsche!" Seine wiederholten

Beteuerungen, er, der einstige Anführer auch von Übeltätern, könne

den Blauen am besten dienen, indem er sich der Verantwortung dadurch

stelle, dass er im Amt bleibe, ähnelten dennoch stark dem Auftritt

des Präsidenten des Weltfußballverbandes ("Let's go Fifa") nach der

neuerlichen Wiederwahl, in der Blatter "das Beste für die

Organisation" zu sehen wähnte. Vier Tage später trat er zurück.

Am Sonntag nun fand Jain, mit der Strategie 2020, die die Bank auf

Erfolgskurs bringe, sei es "die richtige Entscheidung für die Bank

und für mich, eine neue Führung zu etablieren". Wie Blatter erkennen

musste, gewählt zu sein, aber über kein "Mandat der gesamten

Fußballwelt" zu verfügen, haben Jain und sein Compagnon Fitschen zu

akzeptieren, dass sie zwar vom Aufsichtsrat bis 2017 bestellt waren,

ihnen indes die zunehmend vergrätzten Stakeholder die Gefolgschaft

kündigten.

Die Entlassungspapiere für das Führungsduo hat schon die

Hauptversammlung vor zweieinhalb Wochen ausgestellt: Armselige 61%

der Anteilseigner stimmten für die Entlastung der Co-Chefs und

straften den Restvorstand gleich mit ab - ein Vertrauensentzug ohne

Beispiel. Die Aktionärsdemokratie funktioniert. Der von Paul

Achleitner geleitete Aufsichtsrat - durch die Krise der Bank längst

selbst beschädigt - sah sich nach dem geradezu vernichtenden Verdikt

genötigt, die Reißleine zu ziehen. Die Reaktion relativ kurz nach dem

Aktionärstreffen zeugt einerseits von Realitätssinn sowie von der

Bereitschaft und der Fähigkeit zu schnellem und konsequentem Handeln.

Das letzte Aufgebot

Andererseits spricht es nicht unbedingt für den strategischen

Weitblick eines Kontrollorgans und seines Vorsitzenden, wenn es auf

der Vorstandsetage zugeht wie im Taubenschlag. Es ist dies der dritte

Umbau der Führungsmannschaft binnen acht Monaten. Und wohl das

ultimative Revirement: Achleitners allerletzter Schuss und das letzte

Aufgebot der Deutschen Bank. Gelingt es dem Team um den designierten

Alleinchef John Cryan nicht bald, die Skandalserie abzuschütteln, die

Wende in Sachen Rechtskosten und Reputation herbeizuführen sowie

Aktienkurs und Marktkapitalisierung spürbar voranzubringen, wäre es

sicher besser, wenn der Letzte in der Frankfurter Taunusanlage das

Licht ausmacht.

Die Abrechnung mit dem noch amtierenden Gespann fällt durchaus

abgestuft aus. Das entspricht auch dem Stimmungsbild - nicht dem

Abstimmungsbild - auf der Hauptversammlung. Fitschen, dem integren,

hochanständigen und authentischen, aber mit dem Abarbeiten der

Altlasten und dem proklamierten Kulturwandel vielleicht etwas

überforderten Beziehungsbanker der alten Schule wird mit der Bitte,

im Interesse eines geregelten Übergangs noch ein knappes Jahr

weiterzumachen, der verdiente sehr ehrenwerte Abschied bereitet.

Nebenbei: Ein früheres Ausscheiden wäre ein fatales Signal mit Blick

auf den laufenden Münchener Strafprozess gewesen.

John wer?

Für Jain dagegen, der sich mit seinem bizarren Auftritt mit

Simultanübersetzung auf der Hauptversammlung selbst zusätzlich

demontiert hatte, reichen drei Wochen Restamtszeit gerade, um den

Schreibtisch aufzuräumen. Dann geht er, kurioserweise zeitgleich mit

seinem Intimfeind Rainer Neske, dem bisherigen Privatkundenvorstand.

Den hätte man jetzt noch gut gebrauchen können, doch dieser Zug war

schon vor dem Aktionärstreffen abgefahren.

Jain, dem Achleitner auch sehr freundliche, in diesem Fall ein

gewisses Maß an Heuchelei nicht verbergende Worte hinterherruft, darf

oder muss dann noch ein halbes Jahr als Berater zur Verfügung stehen.

Er soll wohl das Aufräumen des milliardenteuren Porzellans

unterstützen, das mindestens unter den Augen des vormaligen

Investment-Banking-Chefs zerschlagen wurde, was bis heute weltweit

als Arbeitsbeschaffungsprogramm für Aufsichtsbehörden, Gerichte und

Anwälte dient.

Und der Neue? "John wer?", war man im ersten Moment versucht zu

fragen, als die Personalie am Sonntag die Runde machte. Nun wird

Cryan der 21. Chef in der 145-jährigen Geschichte der Deutschen Bank.

Im zweiten Moment fallen einem durchaus Argumente für die Berufung

des 54-jährigen Briten ein. Für ihn spreche weniger seine Tätigkeit

als Europa-Präsident von Temasek, des Staatsfonds Singapurs (2012 bis

2014), "als vielmehr seine vorherige Arbeit als CFO der

schweizerischen UBS, wo er von 2008 bis Ende 2010 mit Aufräumarbeiten

in der Krise beschäftigt war". Damit habe er sich als Leiter des

Prüfungsausschusses empfohlen, kommentierte die Börsen-Zeitung vor

zwei Jahren Cryans Berufung in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank.

Der ehemalige UBS-Konzernchef Oswald Grübel hatte Cryan 2010

bescheinigt, dessen Fachwissen und Kompetenz seien entscheidend für

den Wiederaufbau der Finanzstärke der UBS nach der Krise gewesen.

Ein starkes Argument für Cryan kommt hinzu: Nach unzähligen

Rechtshändeln, bei deren Aufarbeitung schon zig Milliarden verbrannt

wurden, allzu überschaubaren Fortschritten in Sachen Kostenkontrolle

und Kulturwandel sowie einem jämmerlichen strategischen Zickzackkurs

kann es bei der Deutschen Bank nur besser werden. Das sieht auch die

Börse so: Der Kurssprung der "DBK"-Aktie am Montag um bis zu 8% war

ein klares "Herzlich willkommen" für Cryan.

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