18.11.2015 20:56:39
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Börsen-Zeitung: Monopoly in reifen Märkten, Kommentar zu
Industriegasen von Michael Flämig
Frankfurt (ots) - Linde vom Thron gestoßen, Air Liquide steigt zum
Branchenprimus im Industriegasegeschäft auf. So plakativ lässt sich
der geplante Kauf von Airgas für mehr als 13 Mrd. Dollar
zusammenfassen. Gewinner und Verlierer wären damit benannt: Die
Franzosen dürfen strahlen, die Deutschen müssen in Sack und Asche
gehen. Die Story ist aber komplexer, wie bereits die Reaktion der
Aktienmärkte vermuten lässt. Linde wurde zwar niedriger bewertet, Air
Liquide aber drastischer in den Keller geschickt. Letztlich weist das
Branchenmonopoly über den Gasemarkt hinaus: Es ist ein Lehrstück für
die Nöte arrivierter Konzerne in reifen Märkten.
Der Ausgangspunkt: Air Liquide greift tief in die Tasche. Dies
zeigt ein Vergleich. Nur fünf Jahre ist es her, dass Forderungen der
Airgas-Aktionäre einen Verkauf - damals an Air Products -
verhinderten. Das Preisschild erscheint aus heutiger Sicht niedlich.
78 Dollar pro Aktie wurden verlangt, aber nur 70 Dollar geboten.
Heute legen die Franzosen 143 Dollar auf den Tisch. Sie zahlen gut
das 13-Fache des operativen Gewinns, während im Jahr 2010 das
11-Fache des Ebitda überteuert schien.
Dies ist Ausdruck einer Preisblase. Wieder einmal wirken die
niedrigen Zinsen als Treibsatz. Geringe Finanzierungskosten und
aufgehäufte Liquidität ermöglichen dem Air-Liquide-Management, einen
unmittelbar steigenden Gewinn pro Aktie zu versprechen. Gemacht wird,
was finanzierbar erscheint - auch wenn eine Ratingabstufung
unausweichlich ist. Die Aktionäre baden den überteuerten Kauf
zumindest kurzfristig aus.
Was treibt das Air-Liquide-Management? Die Suche nach Wachstum und
damit nach Skaleneffekten. Der reife Industriegasemarkt, zudem
oligopolistisch strukturiert, macht organische Expansion zu einer
Kärrnerarbeit. Der große Sprung qua Big Deal erscheint attraktiver,
wie für viele Firmen in wachstumsschwachen Märkten. Strategisch ist
die Offerte von Air Liquide smart, weil Kundenzugang gekauft wird.
Vereinfacht gesprochen sind die Franzosen ein Produzent, während
Airgas ein Verteilnetzwerk in den USA dirigiert. Dies verspricht
neben Kosten- auch Ertragssynergien.
Was bedeutet dies für Linde-Aktionäre? Kurzfristig ist keine
Gefahr im Verzug. In den USA gibt es kaum Konkurrenz: Airgas bedient
kleinere Kunden mit Zylindern, Linde ist spezialisiert auf große
Anlagen. Mittel- und langfristig aber kann der Verdrängungswettbewerb
wirken, der für reife Märkte typisch ist. Sollte Air Liquide samt
Airgas synergetisch wachsen, wird dies auch auf Kosten von Linde
gehen. Dieses Risiko spiegelt der Kursabschlag der Linde-Aktie.
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