25.10.2017 20:55:40

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Börsen-Zeitung: Leitplanken, Kommentar zur Jamaika-Koalition von

Angela Wefers

Frankfurt (ots) - Eines hat Grünen-Parteichef Cem Özdemir in der

Sondierung zu einer möglichen Jamaika-Koalition mit CDU, CSU und FDP

bewiesen: Er kann rechnen. Mit seinem Vorbehalt gegen den FDP-Wunsch,

den Solidaritätszuschlag in dieser Legislaturperiode komplett

abzubauen, zündelt er keineswegs am frischen Kompromiss. Die

FDP-Rechnung geht nicht auf, vor allem dann nicht, wenn noch andere

Steuerarten auf der Liste für Entlastungen stehen und unterm Strich

eine Null bleiben soll.

Auf rund 30 Mrd. Euro taxiert die Union den Finanzspielraum in

dieser Legislaturperiode, um Wünsche zu erfüllen. Dies resultiert aus

rund 45 Mrd. Euro Reserven und absehbaren Mehreinnahmen, abzüglich 15

Mrd. Euro Belastungen etwa aus dem Brexit oder einem geringeren

Bundesbankgewinn. Fällt der Solidaritätszuschlag von 2020 an weg,

wenn der Finanzpakt mit den Ländern ausläuft, fehlen dem Bund für

zwei Jahre schon 40 Mrd. Euro in der Kasse.

Die Rechnung der Union ist womöglich übervorsichtig, aber die

Liste der politischen Wünsche auch lang. Die CSU will die Mütterrente

aufstocken - dauerhafter Kostenpunkt 7 Mrd. Euro im Jahr. Die Grünen

dringen auf ein Familienbudget - ein ebenfalls dauerhafter

Kostenpunkt von 12 Mrd. Euro im Jahr. Die Vereinbarung zur

steuerlichen Forschungsförderung oder zur Verbesserung der

degressiven Afa ist dabei nicht berücksichtigt. Erleichterungen bei

der Unternehmensbesteuerung, die die Wirtschaft mit Blick auf den

international anziehenden Steuerwettbewerb dringend anmahnt, haben es

bislang nicht einmal auf die offizielle Wunschliste geschafft. Auch

zusätzliche Investitionen sind ein offener und teurer Posten.

Für die potenziellen Koalitionäre heißt es, umschichten und

sparen: nur dann schaffen sie mehr Finanzspielraum. Erlöse aus der

Privatisierung von Staatsbeteiligungen, wie sie die FDP fordert, sind

ordnungspolitisch berechtigt, finanziell aber keine echte Hilfe.

Einmalige Einnahmen für dauerhafte Verpflichtungen zu verwenden, wäre

ein Rückfall in die verzweifelte Finanzpolitik Anfang der 2000er

Jahre, als Rot-Grün lediglich Löcher stopfte. Auch der strukturelle

Spielraum für die Schuldenbremse und im EU-Stabilitätspakt würde

durch den Verkauf von Beteiligungen nicht vergrößert. Mit der

Verständigung, die schwarze Null im Bundeshaushalt zumindest

anzustreben und die - im Übrigen gesetzlich vorgeschriebene -

Schuldenbremse auf jeden Fall einzuhalten, haben die vier Parteien

immerhin Leitplanken gesetzt. In diesem Korridor müssen sie sich nun

bewegen.

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