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03.12.2015 20:56:39

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Börsen-Zeitung: Draghis Scheuklappen, Kommentar zur Geldpolitik von

Stephan Lorz

Frankfurt (ots) - So deutlich wie selten zuvor hat EZB-Präsident

Mario Draghi offenbart, dass er - und mit ihm eine "sehr große

Mehrheit" seiner Ratskollegen - in einer völlig anderen Notenbankwelt

leben, als sie noch bei der Gründung der Europäischen Zentralbank

bestanden hatte. Die gestern bekannt gegebene weitere Lockerung der

Geldpolitik hat die Märkte zwar zunächst enttäuscht, weil Draghi

formal weniger "geliefert" hat, als erwartet worden war. Doch gab er

zugleich klar zu verstehen, dass die EZB bereit ist, weit darüber

hinauszugehen; und sie sich auch nicht scheut, extreme Positionen

einzunehmen. In den aktuellen Entscheidungen sind hierzu auch

zahlreiche Hintertüren offengelassen worden.

Wie ernst es Draghi mit seinem geldpolitischen Kurs ist,

illustriert etwa sein Verständnis zum Wesen der Notenbankbilanz. Die

Sorgen mancher Ökonomen wegen der hohen Bestände von Staatsanleihen

und der damit einhergehenden Gefahr monetärer Staatsfinanzierung und

Verzerrung der Marktverhältnisse teilt er gar nicht. Für ihn ist die

Bilanz nur ein Mittel, um Preisstabilität herzustellen. Bilanzielle

Schranken gibt es in dieser Welt nicht. Die Feuerkraft, so die

Lesart, ist unendlich. Ein Blick auf die desaströse Lage in Japan

zeigt allerdings, wohin eine solche Politik führt.

Auch die mit der geldpolitischen Lockerung verbundenen

Nebenwirkungen scheinen ihn nicht zu kümmern. Man sei sich ihrer zwar

bewusst, doch gebe es bislang keine Hinweise auf etwaige Gefahren. Im

Übrigen sei hierzu nicht die Geldpolitik in der Pflicht, sondern die

makroprudentielle Politik der Regulierer. Deutlicher kann man nicht

sagen, dass Geldpolitik nach dem Verständnis der EZB nur dann gut

ist, wenn sie alles um sich herum vergisst und einzig das

Inflationsziel im Auge behält. Sie muss strikt "fokussiert" sein -

man kann auch sagen: Sie ist mit Scheuklappen versehen.

Und was sind die Erfolge der Lockerungspolitik bislang? Draghi

reklamiert, dass die Zinsen und damit die Kreditkosten gefallen sind,

was nach EZB-Berechnungen die Inflation um 0,5 Basispunkte und das

Wachstum um rund einen Prozentpunkt höher ausfallen lassen. Und da

das noch nicht genug sei, müsse eben nachgelegt werden - "neu

kalibriert", heißt das in EZB-Sprache. Doch wie nachhaltig ist so

eine künstliche Entwicklung? Und was tut die EZB, wenn die Konjunktur

immer noch lahmt, die Geldpolitik aber die Altersvorsorge vieler

Menschen zerschießt und sich neue Finanzblasen bilden?

Kollateralschäden, würden die Militärs das nennen. Und auch Draghi

nimmt es hin.

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