13.09.2016 20:32:40
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Börsen-Zeitung: Avanti Dilettanti, Kommentar zu Linde von Walther
Becker
Frankfurt (ots) - Milliardenfusion futsch, CFO rausgeschmissen,
der Vorstandsvorsitzende verlängert nicht und ist eine Lame Duck: Die
Situation beim Industriegasekonzern Linde ist ein Debakel. An dem
Scherbenhaufen trägt einer ein gerüttelt Maß an Schuld: Wolfgang
Reitzle. Der Manager, der vor zehn Jahren mit der Übernahme des
Rivalen BOC die überzeugendste M&A-Transaktion eines deutschen
Konzerns in diesem Jahrhundert exekutiert hat, ist nach zwei Jahren
Cooling-off vor vier Monaten zurückgekommen, um den Aufsichtsrat zu
führen. Und der Konzern steckt in einer hausgemachten Führungskrise.
Reitzle hat zwar seinem Nachfolger Wolfgang Büchele verübelt, dass
dieser eine Gewinnwarnung herausgeschickt hatte - nach der Art von
Joe Kaeser bei Siemens, als der als CFO Konzernchef Peter Löscher
vorführte. Doch die beiden Wolfgangs sollen sich zuletzt
zusammengerauft und an einem Strang gezogen haben. Als großer
Obstrukteur und Hintertreiber der Fusion mit dem US-Rivalen Praxair
steht CFO Georg Denoke da, der am Dienstag rausgeschmissen wurde.
Denoke hatte sich vor Bücheles Amtsantritt selbst Chancen
ausgerechnet, den Vorstandsvorsitz zu übernehmen. Doch Reitzle und
der Aufsichtsrat hielten ihn für den Posten nicht für geeignet. Schon
vor Jahren war insofern das Tischtuch zerschnitten.
Doch die Suche nach einem CFO-Nachfolger fand offenbar nicht
statt. Ob Denoke anonyme Briefe geschrieben hat und derjenige ist,
der mit der Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat den 60-Mrd.-Dollar-Deal
in Amerika gekillt hat, ist wurscht, wie der Bayer sagt. Auch wenn
ihn die Belegschaftsvertreter nach dem Platzen der Fusion fallen
ließen wie eine heiße Kartoffel, wie kolportiert wird - schließlich
wurde die Personalie im Aufsichtsrat einstimmig entschieden. Fest
steht, dass mit einem Intrigantenstadl an der Konzernspitze eine
Transaktion wie mit Praxair gar nicht erst hätte begonnen werden
dürfen. Avanti Dilettanti: Verhandelt eine Mannschaft, in der jeder
gegen jeden kämpft, wird das nichts. Auch das müsste Reitzle aus der
Erfahrung bei BMW, Linde, Conti und Holcim wissen.
Der 67-Jährige muss jetzt für den Neustart des Dax-Konzerns sorgen
und weitere Aufräumarbeiten in die Wege leiten. Investoren schauen in
der ersten Reaktion nach vorn und erwarten, dass mit den
Personalentscheidungen Ballast abgeworfen wird - die Aktie setzte
sich gestern mit plus 5 Prozent an die Dax-Spitze. Das zugrunde
liegende Geschäft von Linde ist von den Kabalen bisher nicht
tangiert. Erzrivale Air Liquide schwingt sich derweil zum
Weltmarktprimus auf. Und in München werden Wunden geleckt.
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