31.08.2021 19:30:38

OTS: Börsen-Zeitung / 3,0, Kommentar zur Inflation von Mark Schroers

3,0, Kommentar zur Inflation von Mark Schroers

Frankfurt (ots) - Die Inflation im Euroraum hat im August wieder einmal alle

Erwartungen übertroffen und mit einem regelrechten Sprung von 2,2 % auf 3,0 %

den höchsten Stand seit einer Dekade erreicht. Damit ist sie zwar noch deutlich

entfernt von Niveaus wie in den USA, wo seit Monaten eine Fünf vor dem Komma

steht. Und weiter spricht vieles dafür, dass es schon Anfang 2022 wieder

moderatere Raten geben wird. Der Europäischen Zentralbank (EZB) sollte das

dennoch zu denken geben. Das leichtfertige Abtun jeglicher Inflationsgefahr und

aller Inflationssorgen muss aufhören.

Sicher, der aktuelle Inflationsanstieg ist nach wie vor primär getrieben durch

Basis- und Sondereffekte, die temporär sind. Aber zugleich mehren sich die

Signale und Warnungen, dass die Inflation länger höher bleiben könnte als

bislang gedacht. So legen etwa die Erzeuger- und Importpreise - als vorgelagerte

Preisstufen - so kräftig zu wie seit den 1970er und 1980er Jahren nicht.

Hellhörig werden lassen müssen die EZB-Granden auch die hohen Lohnforderungen

deutscher Gewerkschaften von teilweise 5 %. Und nicht zu vergessen: Das weiter

rasante Wachstum der Geldmenge kann auch ein Vorbote von mehr Inflation sein.

Die EZB muss wachsam sein und darf nicht zu einseitig auf die Gefahr einer

künftig (zu) niedrigen Inflation starren.

Das gilt umso mehr, wenn sie ernsthaft an einem besseren Dialog mit den Bürgern

interessiert ist, wie ihn sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde wünscht. Die

Bürger sind diejenigen, die den Preis der hohen Inflation zahlen - nicht

zuletzt, weil die Teuerung die Lohnsteigerungen übertrifft oder weil von den

ohnehin mickrigen Erträgen auf Erspartes immer weniger bleibt. Die Euro-Hüter

sollten da mehr Verständnis zeigen für die Sorgen und Nöte der Bürger. Sonst

droht eine weitere Entfremdung. Natürlich gilt das besonders für die Deutschen,

die bekanntlich sehr allergisch auf Inflation reagieren. Aber die EZB muss auch

ein besonderes Interesse haben, den Rückhalt im größten Euroland nicht vollends

zu verlieren.

Längst hat das Thema auch die Politik in Deutschland erreicht - mitten im sich

zuspitzenden Bundestagswahlkampf. Die Politik sollte sich aber davor hüten, die

EZB als Sündenbock herzunehmen. Die beispiellos lockere Geldpolitik der EZB ist

auch Ergebnis davon, dass sich die Politik in Krisen nur allzu gerne hinter der

EZB versteckt, um unangenehme Entscheidungen zu vermeiden. Und der Staat hätte

schon längst Mittel und Wege finden können, seine Zinsvorteile infolge der

EZB-Politik mit den Bürgern zu teilen. Als Wahlkampfschlager taugt das Thema

Inflation und Geldpolitik nicht.

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