06.10.2017 12:03:59
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OBS-Studie: AfD-Wähler und Ostdeutsche misstrauen Medien am stärksten
Die gesellschaftliche Polarisierung, so ein zentraler Befund einer neuen Untersuchung der Otto Brenner Stiftung über Mediennutzung und Demokratiezufriedenheit, geht einher mit einer wachsenden Polarisierung des Misstrauens in die Medien. Einerseits bleibe die Glaubwürdigkeit der Medien vergleichsweise stabil und hoch. Andererseits wachse aber auch der Anteil derjenigen, die Medien mit starkem Misstrauen begegnen. Diejenigen Milieus, die sich durch Ablehnung der demokratischen Grundwerte auszeichnen, sind auch durch ein starkes Misstrauen gegenüber allen Medien geprägt. Das OBS-Autorenteam um Oliver Decker, der auch die Leipziger "Mitte"-Studien zum Autoritarismus in Deutschland mitverantwortet, weist erstmals diesen Zusammenhang nach und untersucht seine Folgen. In der innovativen Untersuchung werden die Ergebnisse der Leipziger "Mitte"-Studien zur Entwicklung unterschiedlicher politischer Milieus mit der Einstellung gegenüber verschiedenen Medien kombiniert. Ein wichtiger Befund: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Tageszeitungen erzielen nach wie vor hohe Vertrauenswerte. Allerdings sind diese zum Beispiel in den antidemokratisch-autoritären Milieus deutlich auf unter 40 % gesunken. Die Boulevardpresse und vor allem das Internet sind demgegenüber weit abgeschlagen - quer durch alle Milieus glaubt ca. nur jeder Fünfte, was dort zu lesen ist: "Menschen, die den klassischen Medien misstrauen, informieren sich öfter über das Internet - und misstrauen auch den dortigen Nachrichten", stellt der Studienleiter Oliver Decker fest und gibt zu bedenken: "Wir sehen hier ganze politische Milieus, die sich in der demokratischen Gesellschaft nicht mehr repräsentiert fühlen"
Erstmals kann die Untersuchung der OBS darüber hinaus eindrucksvoll belegen, dass eine Wechselwirkung zwischen Medienvertrauen und Demokratiezufriedenheit besteht. Denn auch unabhängig vom einzelnen Milieu lässt sich feststellen: Wer die Glaubwürdigkeit der Medien hoch einschätzt, ist auch mit dem Funktionieren der Demokratie hoch zufrieden. Umgekehrt gilt: Wer Medien als unglaubwürdig einstuft, ist höchst unzufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie. 90% der Menschen, die den Medien grundsätzlich Glaubwürdigkeit zugestehen, sind zugleich auch mit der Idee der Demokratie zufrieden. Bei denjenigen, die dieses Vertrauen verloren haben, sieht dies nur noch knapp die Hälfte der Befragten so. Die Folgen dieser Wechselwirkung sind beträchtlich: Unter diesen Menschen wählen knapp 60% gar nicht oder die AfD. Dabei hat die Art des konsumierten Mediums ebenfalls einen großen Einfluss auf die Vertrauensbildung: In der Gruppe von Personen, die sich ausschließlich im Internet informieren, ist der Anteil der Nicht- und AfD-Wähler stark erhöht. Demgegenüber ist das Vertrauen in alle gesellschaftlichen Institutionen (von Gewerkschaften und Kirchen über Polizei und Justiz bis hin zu Regierung, Parlament und Parteien) deutlich niedriger als im Rest der Bevölkerung.
"Die Ergebnisse bestätigen", so der Geschäftsführer der Otto
Brenner Stiftung, Jupp Legrand, "dass es hinsichtlich der Vertrauens
und Glaubwürdigkeitskrise der Medien trotz eines weiterhin hohen
Zuspruchs vieler Menschen keine Entwarnung geben kann und darf." Die
Zahlen deuten vielmehr darauf hin, dass ambivalente Haltungen
abnehmen. Großes Vertrauen bleibt stabil und hoch, aber auch tiefes
Misstrauen steigt kontinuierlich an. Besonders die wechselseitige
Kopplung von Medienglaubwürdigkeit und Demokratievertrauen verweise,
so Legrand weiter, "auf die beträchtliche Gefahr für unsere
demokratische Ordnung, wenn ein relevanter Teil der Bevölkerung weder
durch gemeinsame Werte und Überzeugungen, noch durch die Teilhabe an
einer gemeinsamen Öffentlichkeit für die Gesellschaft erreichbar
bleibt". Der Einbezug von möglichst vielen Individuen und Milieus in
eine dialogische Öffentlichkeit muss, so ein Appell der Stiftung, für
Bildungseinrichtungen und Medienmacher oberstes Ziel bleiben.
Oliver Decker, Alexander Yendell, Johannes Kiess, Elmar Brähler: Polarisiert und radikalisiert? Medienmisstrauen und die Folgen für die Demokratie; OBS-Arbeitspapier 27, Frankfurt am Main, Oktober 2017 Informationen zum neuen OBS-Arbeitspapier 27: http://ow.ly/3edc30fELzN
OTS: Otto Brenner Stiftung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/106578 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_106578.rss2
Pressekontakt: Otto Brenner Stiftung: Jupp Legrand OBS-Geschäftsführer 069-6693-2810 E-Mail: info@otto-brenner-stiftung.de
Autorenteam: Oliver Decker 0176-24821940 E-Mail: oliver.decker@medizin.uni-leipzig.de
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