03.01.2015 07:32:58
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NOZ: Interview mit Jürgen Falter, Parteienforscher
Experte sieht Partei der Euro-Kritiker innerlich tief zerrissen - Auch Parteichefs Merkel und Gabriel unter Druck
Osnabrück.- Aus Sicht des Mainzer Parteienforschers Jürgen Falter machen inhaltliche Differenzen der Alternative für Deutschland (AfD) zu schaffen. Allerdings könnte es den Eurokritikern dennoch gelingen, sich in der Parteienlandschaft zu halten. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) sagte Falter: "Die AfD hat die Chance, sich zumindest mittelfristig zu etablieren und auch bundesweit über fünf Prozent zu kommen. Das hat sie selbst in der Hand." Es böten sich "zwei Themen an, die sie vereinnahmen" könne, so Falter: "Einerseits die Eurokrise und die Angst vor deren langfristigen Kosten. Und andererseits die Einwanderungspolitik. Damit könnte sie sich im Parteienspektrum längerfristig positionieren." Die interne Zerrissenheit der AfD jedoch sei ein Problem, so der Politikwissenschaftler: "Sie ist außenpolitisch gespalten in Atlantiker und Putinversteher, gesellschafts- und wirtschaftspolitisch in Neoliberale und Altkonservative. Alles hängt zurzeit an Parteichef Lucke, er hält die Partei zusammen."
Der schwarz-roten Koalition attestierte der Politikwissenschaftler von der Gutenberg-Universität in Mainz eine handwerklich saubere Arbeit: "Sagen wir, sie läuft. Handwerklich ist fast alles in bester Ordnung, sie arbeitet den Koalitionsvertrag ab. Das ist ja erst einmal nichts Falsches." Allerdings stünden die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sowie SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel unter Druck: "Der Pragmatismus, den Angela Merkel als Parteichefin an den Tag legt, kommt bei den Wählern ausgesprochen gut an. Viele konservative CDU-Anhänger sind aber gerade damit unzufrieden und wünschen sich eine stärkere Profilierung der Partei in der Öffentlichkeit und der Koalition." Daher habe Merkel "auch in den eigenen Reihen nicht nur Freunde". Die Parteivorsitzende müsse "aufpassen", riet Falter: "Da es derzeit keinen ersthaften Konkurrenten oder Nachfolger für sie gibt, treibt sie direkt hinein in das Problem, das auch Kohl hatte: zu lange am Amt festzuhalten."
Die SPD hingegen "hüpfe etwas auf der Stelle": "Sie verlagert das Gewicht ständig von links nach rechts und wieder zurück, wie es gerade so passt." Ein Beispiel sei das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP, das derzeit mit den USA verhandelt wird und das innerhalb der SPD ebenfalls viele Kritiker hat. "Gabriel als SPD-Chef hat es schwer. Er versucht, stetig zu wirken, muss aber permanent zwischen dem linken Flügel und der Mainstream-SPD vermitteln." Dies liege ihm aber, so Falter.
Die dritte Regierungspartei CSU sei "in keiner sehr komfortablen Situation", schätzt der Politikwissenschaftler ein. Dies erkläre auch "das Getöse aus Bayern in Bezug auf einzelne Themen". Das Problem: Die CSU werde "zum Regieren derzeit eigentlich nicht gebraucht", sagte Falter. "Daher wird ein gewisses Droh- und Erpressungspotenzial aufgeboten, mehr als früher." Nebenthemen, etwa die Maut, würden "heftig angegangen". Dies könne "leicht nach hinten losgehen", warnte Falter. Die Maut etwa sei "europapolitisch ein Schuss ins Knie".
Trotz der Schwierigkeiten werde die Große Koalition vermutlich dennoch bis zum Wahljahr 2017 halten, glaubt der Parteienforscher. "Es gibt keine Alternative - bis auf Neuwahlen, und die will derzeit niemand. Die SPD ist in den Umfragen wie festgenagelt bei 25 Prozent. Und kaum jemand will derzeit auf Bundesebene Rot-Rot-Grün riskieren", sagte Falter.
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