26.05.2013 10:00:00

Nobelpreisträger Pissarides: Hohe Arbeitslosigkeit wegen Sparpolitik

Christopher Pissarides erhielt 2010 für seine Forschung über den Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Wirtschaftspolitik den Wirtschaftsnobelpreis. Mit der APA sprach der gebürtige Zypriote am Rande des Astana Economic Forum über Ursachen für die hohe Arbeitslosigkeit in Europa und was bei der Rettung Zyperns schief gegangen ist.

APA: In vielen Ländern Europas sehen wir derzeit extrem hohe Arbeitslosenquoten - bei jungen Menschen sind es teilweise 50 Prozent. Woran liegt das?

Pissarides: Das Problem sind die Sparprogramme. Länder, die besonders viele Arbeitslose haben, sind allesamt zum Sparen verdonnert worden. Natürlich müssen Schulden reduziert werden, gemeinsam mit Strukturänderungen. Aber wir machen das derzeit viel zu überhastet.

APA: Wird es erst schlimmer, ehe es wieder besser wird?

Pissarides: Nein, das glaube ich nicht. Griechenland und Spanien haben bereits sehr hohe Arbeitslosenquoten. Das wird in den nächsten Jahren so bleiben. Außerdem sehen wir ja, dass Menschen von dort weg migrieren.

APA: Wenn man sich die Zahlen anschaut sieht man, dass vor dem Euro die Arbeitslosenquoten der Länder in Europa näher beieinander waren. Heute klafft ein Abstand zwischen fünf und über 25 Prozent. Wie kam das?

Pissarides: Könnten die einzelnen Länder ihre Wechselkurse selbst regulieren, würde das helfen. Aber bei einer gemeinsamen Währung geht das nicht. Wobei ich hier immer dazu sagen muss: Es wäre viel schlimmer, würde ein Land alleine aus dem Euro aussteigen. Das Land würde seine Kreditwürdigkeit abrupt verlieren, niemand würde ihm mehr Geld leihen. Innerhalb kürzester Zeit wären dieses Land samt seinen Banken bankrott.

APA: War es falsch in Griechenland vorrangig die Zahlungsfähigkeit der Banken und nicht etwa Arbeitsplätze zu retten?

Pissarides: Ja, man hätte Schulden in größerem Rahmen erlassen sollen. Darauf aufbauend hätte man strikter regulieren und Institutionen entsprechend anpassen können, damit so etwas nicht wieder passiert. Das wäre für Europa besser gewesen. Stattdessen hat man Banken Geld gegeben damit sie zahlungsfähig bleiben, geknüpft an bestimmte Steuern oder Sparprogrammen, die dann zu höheren Arbeitslosenzahlen geführt haben.

APA: Sie sprechen die Steuer auf Bankeinlagen in Zypern an. Als oberster wirtschaftlicher Berater des zypriotischen Präsidenten waren sie strikt gegen diese Steuer. Tatsächlich haben aber Sparer in Zypern jahrelang von sehr hohen Zinsen profitiert. Ist es da wirklich so abwegig, sie an den Hilfsmaßnahmen zu beteiligen?

Pissarides: Die Sparer zahlen jetzt doch viel mehr, als sie vorher bekommen haben. Zypern hatte für ein Euro-Land zu hohe Sparzinsen, das stimmt. Ich habe mich stets für niedrigere Zinsen ausgesprochen. Aber jetzt hat man ihnen fast das ganze Kapital weggenommen, nicht nur die Zinsen. Das war total willkürlich. Es gibt Menschen, die im Jänner noch eine Million in Zypern angelegt haben, im März waren dann 900.000 Euro davon weg. Einfach so.

APA: Mit welchem Geschäftsmodell soll Zypern zukünftig eigentlich wachsen?

Pissarides: Wir brauchen ein neues Geschäftsmodell, das ist klar. Aber das muss sich vom alten nicht groß unterscheiden. Wir können Dienstleistungen für Unternehmen anbieten, nicht nur für den Finanzbereich

APA: Wie soll das funktionieren?

Pissarides: Was Zypern hat, sind günstige Steuerabkommen. Internationale Konzerne haben immer noch genug Anreize ihre Geschäfte von hier aus zu leiten - das gilt auch für österreichische Firmen. Nur werden diese Unternehmen eben keine großen Konten mehr auf Zypern haben, weil die Zinsen nicht mehr attraktiv genug sein werden

APA: Wie lange wird Zypern brauchen um wieder auf die Beine zu kommen?

Pissarides: Wenn in drei Jahren ein neues Geschäftsmodell funktioniert, wäre das schon sehr gut.

APA: Sie scheinen sehr unzufrieden, mit der Art und Weise wie die Krise in Zypern geregelt wurde. Was sollte man bei zukünftigen Rettungsaktionen beachten?

Pissarides: Zunächst einmal sollte man auf die betroffenen Länder hören. Deutschland und die EU haben nicht den geringsten Wert auf die Sicht von Zypern gelegt. Die Rettung von Banken darf nicht mehr derart willkürlich passieren. Man soll ruhig Geld von Sparern nehmen, wenn man muss. Aber doch nicht eine beliebige Grenze setzen und alles darüber einsacken. Das ist in erster Linie nicht nur wirtschaftlich bedenklich, sondern vor allem sozial.

APA: Das alles malt ein düsteres Bild. Dennoch wollen viele Länder, etwa am Balkan, mehr denn je in die EU. Ist das unter diesen Rahmenbedingungen sinnvoll?

Pissarides: Meine Empfehlung: Der EU sollen sie beitreten, dem Euro nicht. Die Eurozone macht für diese Länder erst Sinn, wenn es eine echte Banken- und Fiskalunion gibt.

APA: Sehen Sie das kommen?

Pissarides: Nein, überhaupt nicht. Zumindest für die nächsten fünf Jahre bin ich da sehr pessimistisch.

(Schluss) yig/tsk

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