24.06.2023 13:42:00
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Neuer IHS-Chef: Kollektivverträge für 18 oder 24 Monate abschließen
In einigen Bereichen gebe es Produktivitätsfortschritte, die kürzere Arbeitszeiten ermöglichen würden, sagte Bonin, der am 1. Juli seinen neuen Job als Direktor des Instituts für Höhere Studien antreten wird. Diese Wissensberufe würden aber die Wirtschaft nicht dominieren. In vielen Bereichen sei es nicht einfach möglich, die Arbeitszeit zu verkürzen, etwa im Pflegebereich. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man in vier Tagen die Pflege macht, die man sonst mit fünf Tagen machen könnte."
Ein zentraler Schüssel dafür, mehr Frauen in die Vollzeitarbeit zu bringen, wäre die Kindertagesbetreuung, sagte Bonin. Prämien für Mütter, die zu Hause bei den Kindern bleiben - wie sie von ÖVP und FPÖ in Salzburg vorgeschlagen wurde -, wären "unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsmarktes kontraproduktiv und deshalb würde ich das nicht empfehlen".
Die fehlenden Fachkräfte sollten zunächst aus den inländischen Reserven kommen, empfiehlt der Ökonom. So seien viele Migranten noch nicht gut in den Arbeitsmarkt integriert, dazu gehöre aber auch eine längere Lebensarbeitszeit.
Die Inflation in Österreich wird nach Ansicht Bonins noch eine Weile hoch bleiben. "Das ist teilweise hausgemacht. Ein wesentlicher Punkt ist die Indexierung von vielen Dingen, bei Mieten ist es vielleicht am deutlichsten." Man brauche zwar keinen Mietpreisdeckel, aber man könnte zum Beispiel festlegen, dass eine bestimmte Mietpreisanpassung nicht überschritten werden darf, oder die Erhöhung der Mieten über einen längeren Zeitraum strecken.
Zur Inflation trage der Fachkräftemangel über eine starke Lohndynamik bei, aber auch steigende Gewinne der Unternehmen. Eine Aussetzung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel würde aber nicht funktionieren, meint Bonin. "Irgendwann muss man die Mehrwertsteuer auch wieder einsetzen, dann holt man sich wieder einen neuen Inflationsschub hinein."
Die nächsten Lohnverhandlungen im Herbst müsse man differenziert betrachten. "In einigen Branchen werden wir tatsächlich auch Lohnsteigerungen benötigen, weil wir ja Fachkräfte-Engpässe haben. Und wenn wir ja eben nicht wollen, dass die Menschen weiter weglaufen, dann muss man eben auch an den Löhnen tatsächlich drehen." Bonin empfiehlt, Kollektivverträge vielleicht über 18 oder 24 Monate abzuschließen - dass würde einerseits in Zeiten hoher Inflation die Unsicherheit reduzieren, im Gegenzug wären die Arbeitgeber vielleicht zu höheren Lohnsteigerungen bereit, meint der neue IHS-Chef.
Die eben erst abgeschaffte Progression sollte man für eine begrenzte Zeit wieder wirken lassen, meint Bonin. "Mir ist vollkommen bewusst, dass das ein Vorschlag ist, der provokant ist." Der Vorschlag sei nicht wirklich realistisch, weise aber in die richtige Richtung - nämlich beispielsweise eine zeitliche Begrenzung oder Streckung der Anpassung über einen längeren Zeitraum.
Vermögen- und Erbschaftssteuern bewertet Bonin sehr unterschiedlich. Während einiges für eine Erbschaftsteuer spreche, die nur einmal wirke, sei er gegen eine Vermögensteuer, die regelmäßig eingehoben und somit die Investitionen belasten und die Wirtschaft dämpfen würde.
ivn/iga
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