23.12.2015 22:32:38

Neue Westfälische (Bielefeld): Weihnachten und Werte Suche nach dem Fundament Carsten Heil

Bielefeld (ots) - Weihnachten 2015. Die Deutschen kaufen Geschenke für ihre Lieben, genießen das weiterhin milde Wetter, stürzen sich in Feiern und Weihnachtsmarkttrubel - und haben zunehmend keine Ahnung von der eigentlichen Botschaft dieses Anlasses. Sie wissen es erst gar nicht oder haben es verdrängt, dass die heilige Familie bald nach Jesu Geburt zu Flüchtlingen wurde. Sie floh vor dem Terror des Königs Herodes nach Ägypten. Das Jesuskind ist einer der prominentesten Flüchtlinge der Weltgeschichte. Die christlich-jüdische, abendländische Kultur beruht zu großen Teilen auf den Werten, die dieser Flüchtling später in seinem Leben geprägt hat: das christliche Menschenbild, bei dem alle Menschen denselben Wert haben und das uns zu Barmherzigkeit aufruft. Darauf beruft sich Angela Merkel, wenn sie sagt: "Wir schaffen das". Deshalb müssen wir es schaffen, die heutigen Flüchtlinge in Deutschland menschenwürdig zu behandeln. Was nicht in jedem Fall heißen muss, sie dauerhaft aufzunehmen bis zur Selbstaufgabe. Im eher linken Selbstverständnis hat sich dazu der Begriff Solidarität, insbesondere mit den Schwächeren entwickelt. Auch dabei handelt es sich um existenzielle Werte der westlichen Zivilisation. Allerdings geht dieses Fundament verloren. Digitalisierung, und Globalisierung mit der Folge, dass immer mehr Menschen vereinzeln, die Durchökonomisierung des gesamten Lebens und der ideologische Angriff auf den grundsätzlichen Sinn von Werten ließen unsere Grundlagen zerbröseln. Und wem das Fundament, wem grundsätzliche Überzeugungen und Orientierungen verloren gehen, der fühlt sich von Neuem bedroht. Eine Gesellschaft, die keine Basis und keine gemeinsamen Überzeugungen hat, ängstigt sich vor einer Million Flüchtlingen. Und da im Osten der Republik vor 25 Jahren noch ganz andere Leitplanken des Lebens (so falsch die auch waren) verloren gegangen sind, ist dort die Angst vor dem Neuen besonders groß. Nicht umsonst argumentieren AfD und Pegida mit Werten, die von den Flüchtlingen in Frage gestellt werden. Was leicht fällt, da die Zugewanderten überwiegend aus anderen Religions- und Kulturzusammenhängen kommen, entsprechend in der Tat andere Werte haben. AfD und Pegida kommen aus einem Unsicherheits-Konservativismus, der durchaus auch linke Hintergründe haben kann. Da das Material, aus dem diese Bewegungen ein neues Fundament legen wollen, letztlich aber eben nicht positive Werte und Überzeugungen sind - wie der gleiche Wert aller Menschen, den Jesus gepredigt hat - sondern Angst, entsteht daraus eher Ablehnung und Verweigerung. Nicht Anpacken und "Wir schaffen das". Weihnachten 2015 kann Anlass sein, neu darüber nachzudenken, welche Werte wirklich Fundament sein können: Nicht Angst vor Neuem sollte unser Denken und Handeln bestimmen.

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