21.03.2014 20:43:59
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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Die ersten hundert Tage von Schwarz-Rot Nah an den Menschen Alexandra Jacobson, Berlin
Bielefeld (ots) - Eine Umfrage des Instituts Allensbach brachte
jüngst Erstaunliches ans Tageslicht: Nach Jahrzehnten einer sich
beschleunigenden Politikverdrossenheit wächst das Ansehen staatlicher
Institutionen und Organe inzwischen wieder. Sogar von einer
Trendwende war die Rede. 39 Prozent der Bürger haben wieder eine gute
bis sehr gute Meinung von der Bundesregierung und dem Bundestag. Das
ist immerhin der höchste Wert seit 20 Jahren. Und nur noch 14 Prozent
der Deutschen sind mit der Demokratie nicht zufrieden. Der mildere
Blick auf das politische System und seine Repräsentanten mag auch
damit zusammenhängen, dass die Deutschen ihre wirtschaftliche
Situation als ausgesprochen gut einschätzen. Anlässlich der
Hunderttagebilanz der Großen Koalition liegt aber auch die Vermutung
nahe, dass das neue Vertrauen mit der Politik von Schwarz-Rot zu tun
hat. Der Start der Regierung war wegen der Vertrauenskrise durch die
Edathy-Affäre zwar ausgesprochen holprig, aber mittlerweile nimmt die
Koalition Fahrt auf und zeigt klare Konturen. Die Regierung ist nah
bei den Menschen und räumt mit Missständen auf, die die Bürger seit
langem aufregen. Dass in den Ballungsgebieten die Mieten seit Jahren
in astronomische Höhen klettern und die Makler den Wohnungssuchenden
zusätzlich das Geld aus der Tasche ziehen, ist ein Ärgernis. Mit
einer gesetzlichen Mietpreisbremse dagegen anzugehen ist eine gute
Idee. Dass Beschäftigte, die die ganze Woche schuften, mit
Hungerlöhnen abgespeist werden und zum Leben zusätzlich Geld vom
Staat benötigen, ist empörend. Gut, wenn es bald den gesetzlichen
flächendeckenden Mindestlohn gibt. Mehrheitlich auf positive Resonanz
stoßen auch die Rentenpläne der Bundesregierung. Dass die
Erziehungsleistung der Mütter besser honoriert wird und Beschäftigte
nach 45 Beitragsjahren in den Ruhestand gehen dürfen, halten die
meisten für richtig. Hier kann man zwar die Ansicht vertreten, dass
damit den jungen, geburtenschwachen Generationen eine zu große Last
für die Zukunft aufgebürdet wird, das ändert aber an dem Urteil der
Bürger nichts. Die schwarz-rote Bundesregierung versucht stärker als
die Vorgängerregierung, dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden zu
entsprechen. Das hinterlässt zwar manchen frus-trierten
Wirtschaftsvertreter, aber dafür existiert die Chance, dass sich die
Lücke zwischen Politik und Gesellschaft verringert. Es sind vor allem
die sozialdemokratischen Minister, die die sozialen Anliegen und die
populären Themen vorantreiben. CDU und CSU verschwinden dahinter.
Wettgemacht wird das durch die Bundeskanzlerin. Und einen
Bundesfinanzminister, der weiter für den Euro kämpft, und eine
Verteidigungsministerin, die sich mit der Transparenzoffensive in
ihrem Haus auch eine mittlere Revolution vorgenommen hat. Wie immer
diese Koalition in dreieinhalb Jahren dastehen mag, es ist
unwahrscheinlich, dass der sozialdemokratische Beitrag nicht für
jeden klar erkennbar sein sollte. Es sieht jedenfalls im Moment nicht
danach aus, dass die Ängste der SPD, sang- und klanglos unterzugehen,
Wirklichkeit werden.
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