14.02.2019 20:53:42
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Mittelbayerische Zeitung: Wir lieben jetzt auch Käfer/Die Bürger in Bayern diktieren ihrer Regierung mehr Artenschutz ins Arbeitsheft. Ein bisschen Ablasshandel war aber wohl auch dabei. Von Bernhard
Regensburg (ots) - Insekten sind wichtig - überlebenswichtig für
alle Erdenbewohner. Wissenschaftler wissen das. Eine große Zahl von
Menschen blendet diese Tatsache in ihrer Egozentrik aus. Das ist etwa
bei Kreationisten sehr klar zu sehen. Diese sind davon überzeugt,
dass die Welt, so wie sie ist, am 23. Oktober 4004 vor Christus von
Gott in allen Details erschaffen worden sei - mit dem Menschen als
Krönung. Ohne nachzurechnen, ob das ein eigentlich arbeitsfreier
Sonntag oder ein Montag war, soll auf diesen Glauben der 1964
verstorbene Evolutionstheoretiker John Haldane mit schönstem
hintergründigen Humor geantwortet haben: Gott scheint eine
übertriebene Vorliebe für Käfer zu haben. Denn geschätzt dürfte etwa
jede vierte Tierart auf Erden käfertypische Merkmale aufweisen. Nicht
nur faktenverachtende Gläubige bringen wenig Sinn für das Kleingetier
auf. Auch aufgeklärte modernere Menschen reagieren bestenfalls mit
Gleichgültigkeit, sogar eher mit Abscheu oder gar Furcht - man denke
an Spinnen. Insofern ist der überwältigend ausgefallene Erfolg des
Volksbegehrens "Rettet die Bienen" für mehr Artenvielfalt auf den
ersten Blick eine Überraschung. Doch die Initiatoren haben viel
richtig gemacht, um die Menschen mitzureißen. Maja wirkte als
Covergirl so unwiderstehlich, dass die Starnberger reihenweise mit
SUVs nah ans Rathaus heranbrummten, um sich in die Listen
einzutragen. Stellenweise wirkte es wie ein Ablasshandel. Es
erleichtert das Gewissen, wenn man hinterher die Flüge für das
laufende Jahr bucht und sich den CO2-Ausgleich spart. Und damit zum
ernsthaften Kern dieses Volksbegehrens: Wer denkt, es reicht, wenn
die Bauern ein paar Wiesen ein bisschen bunter blühen lassen und
vielleicht auch wieder mal ein farbenfroher Schmetterling zu sehen
ist, der irrt. Doch den meisten Unterzeichnern dürfte das bewusst
gewesen sein. Es besteht offenbar eine tiefergehende Sehnsucht nach
einer besser geschützten und intakten Umwelt. Dass die meisten von
uns sehr dankbar sind, wenn sie sich selbst möglichst wenig dafür
einschränken müssen, steht fest. Aber immer stärker verbreitet sich
das Unbehagen, dass die fortschreitende Zerstörung der Natur uns
demnächst schwer auf die Füße fallen könnte - jedem persönlich. Wer
sich umblickt, den beschleicht alsbald das Gefühl: Das geht schief.
Das Insektensterben ist dafür ein augenfälliges Indiz. Jeder bemerkt
es, wenn es auf einer längeren Autofahrt nicht mehr Hunderte, sondern
nur noch ein paar Fliegen auf die Windschutzscheibe matscht. Und
jedem dämmert, dass ohne diese Tierchen und ihre Bestäubungshilfe
wenig wächst und auch nichts Abgestorbenes weggeräumt wird. Schon gar
niemand hat Lust, demnächst mit einem Pinsel auf Bäume zu steigen und
Blütenstaub zu verteilen. Der Schutz der Natur eint Öko-Bewegte,
Linke, Konservative, Religiöse und Atheisten. Der Erfolg der Grünen
rührt ja nicht nur von der Todessehnsucht der SPD her. Auch die CSU
hat bei der vergangenen Landtagswahl massiv Stimmen an die Grünen
abgegeben. Man kann diese Öko-Bewegtheit als Hype bespötteln. Man
kann sie aber auch als fundamentale Bewegung und wachsende Einsicht
akzeptieren. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Wir
werden sehen, wie genau die Bürger und Wähler der bayerischen
Staatsregierung nun auf die Finger schauen - und gegebenenfalls
klopfen, wenn sie sich an die Umsetzung oder Verhinderung der
Forderungen macht. Wir werden genauso sehen, ob auch einzelne
Mitbürger sich insektenfreundlicher verhalten, blühende Gärten
zulassen und ihre Mähroboter stilllegen. Wir werden sehen, ob die
Verbraucher mehr Bio kaufen; ob die Landwirte sich daran halten,
nicht bis auf den letzten Meter an Gewässer heranzuackern. Es sieht
heute so aus, als ob in Bayern etwas Gutes in diese Richtung passiert
ist.
OTS: Mittelbayerische Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/62544 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_62544.rss2
Pressekontakt: Mittelbayerische Zeitung Redaktion Telefon: +49 941 / 207 6023 nachrichten@mittelbayerische.de
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