17.05.2017 22:03:56
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Mittelbayerische Zeitung: So viel Lindner wie nie / Der FDP-Chef verhilft seiner Partei zu einem Höhenflug. Doch leicht zu haben sind er und seine Partei nicht. Leitartikel von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots) - Christian Lindner hat in seiner relativ kurzen
Polit-Karriere Höhen und Tiefen erlebt. Vom verstorbenen ehemaligen
Parteivorsitzenden Guido Westerwelle zum obersten Parteimanager
gemacht, trat Lindner vor sechs Jahren zurück. Offenbar wollte der
Newcomer seinerzeit nicht dafür mitverantwortlich gemacht werden,
dass sich die Liberalen nahezu sklavisch an die Union gekettet
hatten. Er überließ es dem Trio Philipp Rösler, Daniel Bahr und
Rainer Brüderle, für den vorhersehbaren Niedergang der FDP den Kopf
hinzuhalten. Kühle analytische Fähigkeiten gepaart mit kluger
Voraussicht und einem begnadeten Talent als Redner haben Christian
Lindner in den knapp vier Jahren als außerparlamentarische Opposition
zur unumstrittenen Nummer eines der FDP auf Bundesebene gemacht. Als
die Krone der FDP Ende 2013 auf der Straße lag, griff Lindner beherzt
danach. Es ist vor allem sein Verdienst, dass die deutschen
Freidemokraten nach dem Wahldesaster vor knapp vier Jahren nicht in
der Versenkung verschwunden sind. Lindner hat seine Partei aber nicht
nur am Leben und im Gespräch erhalten, wurde zum Gesicht der FDP, hat
unzählige Talkshow-Auftritte und Interviews hingelegt, sondern er hat
auch für deren politische Wiederauferstehung gesorgt. Das bedeutete
vor allem, die Partei aus der Koalitionsgefangenschaft der Union zu
befreien. Das scheint, betrachtet man die Rekordergebnisse von
Düsseldorf und zuvor Kiel, vollauf gelungen zu sein. So viel Lindner
wie heute war noch nie. Dass es im Saarland und einigen Ost-Ländern
nicht zum Wiedereinzug in den Landtag reichte und in anderen
Bundesländern - etwa Bayern - für die FDP immer noch schwierig ist,
hat man darüber schon fast vergessen. Die Liberalen unter Christian
Lindner erlagen auch nicht der Versuchung, während der
Flüchtlingskrise am äußersten rechten Rand zu fischen. Der junge
Vorsitzende kritisierte zwar die einsame Entscheidung Merkels,
weitgehend ohne Kontrollen Tausende Kriegsflüchtlinge ins Land zu
lassen. Doch er verfiel nicht in rechtspopulistische Töne, wie sie
die AfD anschlägt. Auch der fast schon diktatorischen Forderung nach
einer "Obergrenze" schloss er sich nicht an. Der Parteichef verhalf
den Liberalen mit seinem unabhängigen Kurs zu einem ungeahnten
Höhenflug. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wird die
Partei sogar bereits wieder zum Regieren gebraucht. Für eine mögliche
Jamaika-Koalition an der Küste und für eine schwarz-gelbe Koalition
im Westen. Zugleich jedoch liegt darin auch das Dilemma von FDP und
Lindner. Sollte die Partei wiederum nur als Regierungs-Anhängsel der
CDU wahrgenommen werden, dann würden die alten Vorurteile neue
Nahrung finden, wonach es sich um eine Funktionspartei handele, die
nur scharf auf Posten und Dienstwagen sei. Es ist ein schmaler Grat
zwischen dem frischen liberalen Selbstbehauptungswillen einerseits
und der Verlockung, mitregieren, mitgestalten zu können,
andererseits. Der selbst aufgestellte Maßstab für Lindner lautet:
echter Politikwechsel. Sollte es dazu nicht kommen, werde man in die
Opposition gehen, statt Ministerämter zu besetzen. Was genau er
darunter versteht, sagte er bislang jedoch nicht. Lindner machte die
FDP auf jeden Fall flexibler. Die Partei ist inzwischen offen für
Ampel, Jamaika oder gar sozialliberale Bündnisse. Nur, so leicht zu
haben wie in den Jahren zuvor, ist die FDP nicht mehr. Lindner muss
seine Partei in möglichen Koalitionsverhandlungen so teuer verkaufen,
wie es nur geht. Die, aus FDP-Sicht, schlechten Erfahrung im Bund
sowie in Bayern als Juniorpartner der Union, haben Wirkung
hinterlassen. Sowohl in Kiel als auch in Düsseldorf stehen sehr harte
Koalitionsverhandlungen ins Haus. Das dürfte auch für den Bund im
Herbst gelten, sollte die FDP zum Regieren gebraucht werden.
Knackpunkte, die sich bereits heute abzeichnen, sind die innere
Sicherheit und die Steuer- und Wirtschaftspolitik. Lindner ist harte
Opposition für die marktorientierte FDP lieber als windelweiches
Mitregieren.
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