28.11.2013 18:46:40
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Mittelbayerische Zeitung: Rechnen und tricksen
Derzeit winden die schwarz-roten Koalitionäre viele Wortgirlanden
um den mit Hängen und Würgen zustande gebrachten Koalitionsvertrag.
Von einer "großen Koalition für große Aufgaben" ist großspurig die
Rede, von einem "Vertrag für die Bürger", heißt es leutselig. Dass es
in den vergangenen fünf Wochen zwischen SPD und Union so zäh
voranging, hat vor allem auch damit zu tun, dass sich hier zwei
Partner zusammenraufen mussten, die zwei sehr unterschiedliche, bis
offen konträre Finanzierungs-, Haushalts- und Steuerkonzepte
vertreten. In der künftigen Großkoalition wurden gewissermaßen Feuer
und Wasser vereint, auf vertraglicher Basis inzwischen. Heraus kam
ein etwas abgespecktes Wohlfühl-Programm, dass vor allem den
sozialpolitischen Wünschen beider Seiten Rechnung trägt, garniert mit
einigen Zukunftsinvestitionen. Motto: Möglichst allen gut, aber
keinem wehtun. Wirklich klare Konturen mit Blick auf die
Herausforderungen der Zukunft, auf Wettbewerbsfähigkeit, Bildung und
Forschung sowie die gravierenden demografischen Veränderungen etwa,
enthält die künftige Haushalts- und Finanzpolitik der Großkoalition
kaum. Schwarz-Rot "verfuttert" das, was in den vergangenen Jahren
erwirtschaftet wurde. Dabei waren die beiderseitigen
Wünsch-Dir-was-Listen noch üppiger und länger. Mütter- und
Solidarrente etwa wollte die Union. Auch durfte es keinerlei
Abstriche beim Betreuungsgeld geben, dass von der CSU vorgebracht und
im Sommer eingeführt worden war. Auf mehr Geld für den Ausbau von
Kinderbetreuung, Ganztagsschulen sowie die abschlagsfreie Rente mit
63 Jahren, bei 45 Versicherungsjahren, pochte die SPD. Einig war man
sich bei Schwarz und Rot ohnehin, dass das Füllhorn für Forschung,
Hochschulen, Kommunen oder für die Infrastruktur aufgemacht werden
müsse. Die Unterhändler beider Seiten schrieben flott die
Wunschlisten fort - und landeten zwischenzeitlich bei Mehrausgaben
von 50 Milliarden Euro. Man war so frei - sparen war gestern. Der
gewiefte Bundeskassenwart Wolfgang Schäuble hat den hochfliegenden
Wünschen der Koalitionäre für die nächsten vier Jahre nicht nur ein
enges Korsett von 15 Milliarden Euro verpasst, sondern er hat
zugleich die Sozialdemokraten ausgetrickst. Mit kreativer Buchführung
hat er den Finanzrahmen für künftige Mehrausgaben ausgedehnt, hat
stille Reserven aktiviert, so dass die Koalition unter dem Strich
doch etwas mehr ausgeben darf, als zuvor angenommen. Und so ganz
nebenbei ließ Schäuble die Sozialdemokraten abblitzen, die etwa die
Mütterrente aus dem allgemeinen Steuerhaushalt bezahlen wollten. Wo
sie hingehört - anstatt in die Rentenkasse der Beitragszahler. Doch
damit hat sich der listige Schäuble einmal mehr auch als ein
unverzichtbarer Aktivposten in einem künftigen Kabinett von Angela
Merkel empfohlen. Zwar hält Schwarz-Rot die Kabinettsliste wegen des
SPD-Mitgliederentscheids über den Koalitionsvertrag noch strikt unter
der Decke, doch dass Schäuble gesetzt ist, darf niemanden
überraschen. Die SPD scheint überdies den Zugriff auf das wichtige,
aber unbeliebte Finanzressort zu scheuen. Einen so kreativen
Kassenwart wie Wolfgang Schäuble haben die Genossen zurzeit ohnehin
nicht im Angebot. Trickreich rechnen allerdings auch andere
Koalitionäre den Haushalt schön. Der Noch-Verkehrsminister Peter
Ramsauer (CSU) würde gern mehrere Hundert Millionen Euro aus der
Pkw-Maut für Ausländer verbuchen. Ohne dass es bislang ein
wasserfestes Konzept dafür gibt. Oder die - voraussichtlich künftige
Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) hofft derweil auf einen warmen
Steuerregen für die Sozialsysteme aus dem Bundeshaushalt. Doch auch
da ist Schäuble vor.
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