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27.09.2013 23:50:58

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Weltklimareport: "Die fast vergessene Herausforderung" von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots) - Alles nur "grüner Alarmismus", eine gigantische Kampagne der Öko-Energie-Lobby, die pure Lust an Untergangsszenarien? Ja, wenn man die Warnungen des neuesten Berichts des Weltklimarates so einfach in den Wind schlagen könnte. Einfach Augen zu und so weiter gemacht wie bisher. Dabei können sich notorische Zweifler des Klimawandels immerhin darauf berufen, dass es im vergangenen Jahrzehnt im Durchschnitt ja gar nicht so weiter ging mit der Erderwärmung, wie befürchtet. Alles nur halb so schlimm, oder? Die Crux an der zuletzt fast vergessenen Herausforderung des weltweiten Klimawandels ist es, dass die Veränderungen bei uns kaum spürbar und im Zeitlupentempo vor sich gehen. Zwar sind die wissenschaftlichen Beweise und die Bilder von abschmelzenden Gletschern, zurückgehender Eismassive in Arktis und Antarktis, auf Grönland oder in den Alpen erdrückend, doch dieser tiefgreifende Wandel vollzieht sich gewissermaßen unbemerkt vom allgemeinen Bewusstsein und allgemeiner Wahrnehmung. Er wird immer wieder ausgeblendet. Spektakulär sind dagegen die direkten Folgen, sind Hochwasser, Stürme, aber auch Trockenheit. Überhaupt Wetterextreme, die die Klimaveränderungen bestätigen, ihnen aber auch zu widersprechen scheinen. Doch das jeweilige Wetter ist keine direkte Folge des Klimas. Die sich häufenden Wetterkapriolen sind jedoch tendenziell eine Folge des Klimawandels. Es mag in der Langfristigkeit der Klimaveränderungen begründet sein, dass das Thema auch nicht jeden Tag auf der Agenda der Politik steht. Es sei denn, es schwappten wieder einmal die Donau oder die Elbe über die Schwelle. Im Bundestagswahlkampf wurde das Thema nicht einmal von den Grünen nach vorne geschoben, von den anderen Parteien ganz zu schweigen. Angela Merkel hat sich zwar als "Klimakanzlerin" feiern lassen und die Bundesregierung gefällt sich in der Vorreiterrolle im Klimaschutz. Doch all das ist, gemessen an den wirklichen Herausforderungen, relativ. Relativ wenig, nämlich. Weil die Wirtschaft im vergangenen Jahr boomte, stiegen auch die Emissionen von Treibhausgasen wieder an. Die hoch entwickelte Europäische Union hat zumindest relativ verbindliche Minderungsziele bis 2020 vereinbart, doch schon um deren Einhaltung steht es nicht zum Besten. Noch ehrgeizigere Klimaziele bis 2030 werden von einzelnen Staaten, wie etwa Polen, blockiert. Vom größten "Klimasünder" USA, wo pro Kopf etwa doppelt so viel Kohlenstoffdioxid ausgestoßen wird wie in Deutschland, ganz zu schweigen. Freilich hilft es in der Klimapolitik nicht weiter, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Die internationale Gemeinschaft tut sich seit mehr als 20 Jahren, als der Kyoto-Klimaschutz-Prozess begann, schwer damit, wirkliche Konsequenzen zu ziehen. Aber gerade aufstrebende Schwellenländer, China, Indien, Brasilien, schauen auf Europa. Schaffen es die Europäer, vor allem die Deutschen, eine wirkliche Energiewende hin zu erneuerbaren Quellen hinzubekommen oder nicht? Es gibt erste hoffnungsvolle Anzeichen dafür, dass auf der nächsten Weltklimakonferenz in Paris 2015 es doch eine verbindliche Verpflichtung für die Reduzierung von Treibhausgasen geben könnte. Wie weit sie geht und wie wirksam sie sein könnte, werden erst die nächsten Jahrzehnte zeigen. Die Klima-Uhr tickt unaufhaltsam weiter.

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