06.02.2017 23:23:55

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Union/Merkel: Nervosität im Mutterland der Konservativen Von Christine Schröpf

Regensburg (ots) - Nach außen wird eisern Fassung bewahrt. Doch der Schulz-Effekt wirkt, auch in der Union. CDU und CSU, im Streit um Flüchtlings-Obergrenzen soeben noch heftig ineinander verkeilt, sind nun zum Zusammenhalt verdammt. Ob der heilsame Schock früh genug kam, um vor der Bundestagswahl die Kurve zu bekommen, muss allerdings stark bezweifelt werden. In Umfragen steckt die Union in einer Abwärtsspirale. Der demonstrative Friedensschluss nach erbittertem Dauerstreit gebiert ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. Die Attacken von CSU-Chef Horst Seehofer auf die Kanzlerin waren zu überzeugend und echt, als dass ihm die neue Sanftmut abgenommen wird. Spätestens in der heißen Phase des Wahlkampfes wird es wieder knirschen und krachen, etwa wenn Seehofer und Merkel bei gemeinsamen Auftritten die Konflikte in der Asylpolitik übertünchen müssen. In der Union herrscht angesichts des Höhenflugs von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hohe Nervosität. Dass die Werte der SPD nach oben schnellen, ist dabei nur ein Teil des Problems. Noch alarmierender muss sein, dass Schulz auch im persönlichen Vergleich mit Merkel vorne liegt. Hinter der Stärke des SPD-Mannes verbirgt sich die Schwäche der Kanzlerin. Die Sympathiewerte Merkels sind in Zeiten der Flüchtlingskrise in Teilen der Bevölkerung erodiert. Seehofer hatte die Kanzlerin davor immer vergeblich gewarnt, mit seinen eigenen Angriffen auf die CDU-Chefin die Entwicklung allerdings auch selbst kräftig verstärkt. Die Geister, die er rief, holt er nun schwer wieder zurück. Die Unions-Spitzen mögen offiziell gemeinsam marschieren, die merkelkritischen Teile der Basis folgen diesem Beispiel deshalb noch lange nicht. Vielmehr sind sie jetzt ebenso von Seehofer bitter enttäuscht. Sein (vorläufiger) Rückzug aus dem Gefechtsstand hat ihm in sozialen Netzwerken einen Shitstorm beschert, der sich gewaschen hat. Daran ändert auch nichts, dass Seehofer an der Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr festhält
und einen weiteren Verbleib der CSU in einer Bundesregierung nach der Bundestagswahl davon abhängig macht. Wie sollte es die Merkel-Skeptiker im konservativen Wählerklientel zufriedenstellen, wenn die CSU im Zweifel lieber auf die einflusslose Oppositionsbank wechselt, so sie die Drohung überhaupt wahr macht? Die Wirkung auf die Asylpolitik wäre gleich Null. Hinter dem Streit um Obergrenzen steckt allerdings ein ernstzunehmender Kern: Die CSU pocht im Grunde auf einen Plan B für den Fall, dass die Zahl der Flüchtlinge wieder massiv steigen sollte. Sie will sich nicht mit dem Bekenntnis Merkels abspeisen lassen, dass sich eine Situation wie im Jahr 2015 nicht wiederholen wird. Das Versprechen soll mit tragfähigen Konzepten unterfüttert werden. Ein berechtigter Wunsch. Wie bei der Pkw-Maut im Bundestagswahlkampf 2013 hat Seehofer die Hürden für einen Kompromiss allerdings inzwischen so enorm hochgelegt, dass ihm wie Merkel bei einem Einknicken ein Gesichtsverlust droht. Der Wunsch, Recht zu behalten, bekommt dabei zu großes Gewicht. Die Union hat keine Zeit, sich damit aufzuhalten. Die SPD nimmt schon den nächsten Punktsieg in den Blick. Mit Frank-Walter Steinmeier wird in Kürze ein sozialdemokratischer Sympathieträger zum Bundespräsidenten gekürt. Die Union kann sich schon Mal auf dauerhaft gute Umfragewerte für die SPD einstellen.

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