10.11.2016 22:32:39
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Trump: Schaut auf Trump von Bernhard Fleischmann
Regensburg (ots) - Die spinnen, die Amerikaner. Die ersten
Reaktionen in dem aus US-Sicht oft recht unbedeutenden Rest der Welt
waren überwiegend geprägt von Fassungslosigkeit und Entsetzen. Lauter
Ungebildete haben Donald Trump gewählt, und davon gebe es nun mal so
viele in den USA - so erklären wir uns diese in unseren Augen so
unverständliche Entscheidung. So einfach ist es aber nicht. Es steckt
viel mehr hinter diesem Wahlausgang. Dazu gehört, dass ein
wesentliches Element aller funktionierenden Gesellschaften,
insbesondere Demokratien, abhandenkommt, ohne das sie keine Zukunft
haben: das Gefühl, dass es fair und gerecht zugeht. Es ist eine
Mischung aus Enttäuschung über und Wut auf die Eliten, bestehend
zuvorderst aus Unternehmern und Managern sowie Politikern, die sich
in den Augen von immer mehr Menschen immer mehr herausnehmen, zu viel
vom Kuchen vertilgen, die Sahne obendrauf sowieso, und dem großen
Rest der Gesellschaft nur die Brösel übriglassen. Der
gesellschaftliche Kitt geht verloren, der darin besteht, dass die
Menschen glauben, sie hätten eine Chance, ihre eigene Situation zu
verbessern. Und wenn es schon nicht besser wird für sie, dass
wenigstens auch "die da oben" verzichten müssen. Dieses Gefühl
scheint nicht mehr vorhanden zu sein. Selbst in den USA nicht mehr.
Die Hemmungslosigkeit, mit der sich so manche elitäre Kreise
bedienen, Reichtümer anhäufen und gleichzeitig Heerscharen von
Menschen dabei ausbeuten, ist der Boden für Radikalismus und
Extremismus. Die Klügeren unter den Privilegierten haben in jüngerer
Vergangenheit ihresgleichen zur Mäßigung gemahnt, höhere und fairere
Steuern für Reiche gefordert oder für höhere Löhne plädiert. Es liegt
ja schon lange in der Luft, dass die zunehmende Ungleichheit dazu
führen kann, dass das ganze System in die Luft fliegt. Das können
gerade die Eliten am allerwenigsten wollen. Doch nun stehen wir an
der Schwelle, an der alles kippen könnte. Die USA sind nun wirklich
nicht die Ersten, wo es zu brennen beginnt. In Europa gewinnen die
Rechtspopulisten längst Gelände, ob in Frankreich, den Niederlanden,
Österreich, England, Ungarn - und auch in Deutschland. Stark
national-populistisch und demokratiefeindlich weht der Wind unter
anderem auch in der Türkei und in Russland. Es ist zudem nicht
hilfreich, wenn die Aufgeklärten, besser Gebildeten und liberal
Denkenden alle Wähler von AfD, Orban oder Farage als Rechtsradikale
und Irre bezeichnen. Damit begehen sie den gleichen Fehler wie
diejenigen, die sie kritisieren: Sie sind zu bequem um nachzudenken.
Genau diese unzureichend reflektierte Reaktion bestätigt etwa
AfD-Anhänger in ihrem Gefühl, von den Privilegierten nicht ernst
genommen zu werden. Zwar sind auch bedenklich viele Rechtsradikale
und Wirrköpfe dabei, aber ein wesentlicher Teil jener Bürger, die bei
den Menschenfängern landen, sind im Grunde vor allem verängstigt und
fühlen sich nicht vertreten. Sehr einseitiges oder gar kaum
vorhandenes Informiertsein kommt dazu. Denn es muss paradox
erscheinen, dass diese Klientel Politikern ihre Stimme gibt, die jene
begünstigen wollen, über die sich ihre Unterstützer so erregen. Ob
Trump oder AfD - sie haben sich Steuersenkungen für Unternehmen und
Reiche auf die Fahne geschrieben. Anstatt einer fairen Sozialpolitik
propagieren sie lediglich plumpen Nationalismus: Wären wir und die
Menschen dieses Staates allein auf der Welt, dann ginge es uns viel
besser. Das stimmt nicht, wird aber sehr gerne geglaubt - klingt so
schön einfach. Umso wichtiger ist es nun, dass sich all jene, denen
Demokratie, Liberalität und soziale Gerechtigkeit am Herzen liegen,
als Alternative zu den Rechtspopulisten neu positionieren. Eine
Alternative, die das Verhältnis von Staat und Wirtschaft, von sozial
Bessergestellten und Benachteiligten neu ausbalanciert und möglichst
vielen Bürgern ein gutes Gefühl gibt: Dass sie, wenn sie sich
anstrengen, mehr Wohlstand erreichen können. Dann wäre ein Donald
Trump nur ein trauriger Clown, über dessen Wirrheit sich man
entspannt amüsieren könnte.
OTS: Mittelbayerische Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/62544 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_62544.rss2
Pressekontakt: Mittelbayerische Zeitung Redaktion Telefon: +49 941 / 207 6023 nachrichten@mittelbayerische.de
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