20.07.2014 20:30:58
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zu Merkels Rolle in der Welt
Regensburg (ots) - Vermutlich werden es nur einige wenige Stunden
der Entspannung sein, die sich Angela Merkel bei den Bayreuther
Festspielen gönnen wird. Die Eröffnung mit Richard Wagners
"Tannhäuser" hat die Regierungschefin abgesagt. Sie werde jedoch im
Laufe der Festspiele Bayreuth besuchen, hieß es jetzt. Vor allem die
zahlreichen internationalen Konflikte lassen Merkels Urlaubspläne zu
Makulatur werden. Als Kanzlerin sei sie immer im Dienst, sie stehe
für alle notwendigen Aufgaben zur Verfügung, ließ die Kanzlerin kurz
vor Beginn ihres Urlaubs wissen. Aber was heißt "Urlaub", wenn die
Kanzlerin mehrmals am Tag mit den diversen Krisenstäben in Berlin
telefoniert, wenn sie mit Präsidenten, wie Barack Obama, Francois
Hollande oder dem nun arg in die Bredouille geratenen Wladimir Putin
spricht? Auch im Urlaub, das heißt in ihrer Abwesenheit aus Berlin,
wird Merkel als Krisenmanagerin Nr. 1 gefragt sein. Die weltweiten
Konflikte in der Ukraine, im Nahen und Mittleren Osten und anderswo
werden sie fordern. Urlaub ist in dieser Hinsicht eine zu
vernachlässigende Größe. Vielleicht gibt es ein paar Stunden
Privatleben mehr am Tag. Das war's dann auch schon. Wer in der Küche
der Politik erfolgreich bestehen will, darf die Hitze nicht scheuen.
Der Flugzeugabschuss von MH 17 mit 298 Toten über der Ost-Ukraine ist
eine schreckliche Zäsur in dem seit Monaten andauernden blutigen
Konflikt. Noch sind die Hintergründe kaum aufgeklärt, die
Verantwortlichen noch nicht ermittelt. Doch nach dem schrecklichen
Geschehen ist auch Angela Merkel klar, dass die internationale
Gemeinschaft künftig entschiedener gegen die so genannten
Separatisten und ihre russischen Handlanger und Drahtzieher vorgehen
muss. Die Sanktionen, die bislang nur gegen einige Mitglieder der
Putin-Nomenklatura verhängt worden waren, werden auf Unternehmen
ausgeweitet, die am Krieg in der Ost-Ukraine direkt oder indirekt
beteiligt sind. Auch das ist noch kein scharfes Schwert, ist noch
keine harte Sanktion, aber immerhin ein Zeichen: So darf es nicht
weitergehen! Merkel und die anderen Regierungschefs der EU sind
offenbar bereit, härter gegen Putins Unterstützung der Separatisten
im Gebiet Donezk vorzugehen. Wie weit sie dabei gehen werden, hängt
vom Kremlchef selber ab. Putin hat die Geduld Merkels, die unablässig
zwischen Moskau und Washington moderiert, auf eine harte Probe
gestellt. Gleichwohl muss es mit Russland, trotz der verschärften
Ukraine-Krise, eine Form der Zusammenarbeit geben. Die Bemühungen der
deutschen Kanzlerin gleichen einem Ritt auf der Rasierklinge. Die
Verantwortlichen für den heimtückischen Abschuss des
Passagierflugzeuges müssen zur Rechenschaft gezogen werden, hat
Merkel gefordert. Doch dafür müssten im ukrainischen Absturzgebiet
unabhängige Spezialisten untersuchen dürfen. Dass die Separatisten
keine ungehinderte Arbeit von OSZE-Mitarbeitern und internationalen
Luftverkehrsexperten zulassen, spricht gegen die Russland-Getreuen.
Wer die Untersuchungen, die Bergung der 298 Opfer und der Trümmer des
Flugzeuges behindert, der hat offenbar etwas zu verbergen oder er hat
schlicht kein Mitgefühl für die Opfer. Das eine ist so schlimm wie
das andere. Ähnlich vertrackt und scheinbar aussichtslos ist die Lage
im Nahen Osten. Nach den Raketen-Angriffen der islamistischen Hamas
hat die israelische Regierung hart geantwortet, mit Luft- und
Artillerieschlägen und inzwischen mit einer Intervention von
Bodentruppen. Weil das Verhältnis zwischen Benjamin Netanjahu und
Barack Obama ziemlich zerrüttet ist, ist das mäßigende Wort der
deutschen Kanzlerin und ihres Chefdiplomaten Frank-Walter Steinmeier
jetzt so wertvoll wie noch nie.
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