03.05.2015 20:47:42
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zu BND-Affäre
Regensburg (ots) - Bei den Verbündeten jenseits des Atlantik
erntet die jetzige Aufregung in Deutschland um die geheime
Kooperation von Bundesnachrichtendienst und dem US-Pendant National
Security Agency (NSA) nur ungläubiges Schulterzucken. Spinnen die
Deutschen? Dass die Dienste geheim zusammenwirken, sich austauschen
und der eine dem anderen behilflich ist, sieht man in Washington als
ganz normale Sache an. Und, so der unausgesprochene Vorwurf,
schließlich haben Tipps der US-Dienste dazu beigetragen, dass bislang
Terroranschläge in Deutschland vereitelt werden konnten. Wozu also
die ganze Aufregung? Freilich liegen die Dinge so einfach nicht. Vor
knapp zwei Jahren enthüllte Edward Snowden, dass die NSA bei der
Beschaffung von Informationen weltweit nicht zimperlich vorgeht. Der
gigantisch ausgestattete US-Sicherheitsdienst beschränkt sich längst
nicht nur auf das Ausspähen von Terroristen, sondern checkt nahezu
alles, was irgendwie die Interessen der USA berühren könnte. Also
alles, was via Telefon und Internet an Kommunikation um den Globus zu
erhaschen ist. Wegen der guten Kontakte zu den deutschen
Schlapphutkollegen des BND - und seit den Terroranschlägen vom 11.
September 2001 auch auf vertraglicher Grundlage - nutzt die NSA die
Dienste der Pullacher Behörde. Das ist an sich betrachtet nicht
verwerflich, sondern sinnvoll und in unserem Sicherheitsinteresse.
Die Crux besteht darin, dass sich der BND möglicherweise zum
willfährigen Handlager der NSA machen ließ und freigiebig auch
befreundete Staaten, Politiker und Unternehmen belauschte, die
gesammelten Daten vielleicht sogar im Eigeninteresse nutzte. Und die
politisch hoch spannende Frage lautet: Was hat die BND-Aufsicht im
Kanzleramt, was hat die Kanzlerin Angela Merkel selbst von all dem
gewusst? Die beiden Antwortalternativen auf die Frage sind nicht
gerade erbaulich. Wussten Kanzleramt und Merkel nichts von dem
heimlich-unheimlichen Treiben des Pullacher Dienstes, dann waren/sind
sie unfähig zur Kontrolle und Leitung des deutschen
Auslandsgeheimdienstes. Wussten sie jedoch etwas und verheimlichen
dies heute, dann wären sie politisch nicht mehr tragbar. Die jetzige
BND-NSA-Affäre könnte Angela Merkel ernsthaft schaden. Denn sie hat
das Zeug dazu, die Glaubwürdigkeit und Rechtsstaatsttreue der
Kanzlerin - und all der Kanzleramtschefs unter ihr - gehörig
anzukratzen. Dass Merkel sich noch nicht selbst geäußert hat, ist
wohl auch dadurch zu erklären, dass sie noch keine Strategie im
Umgang mit der Affäre hat. Einfach aussitzen, geht nicht mehr. Es
stehen schlimme Vorwürfe wie Landesverrat und Industriespionage im
Raum, die dringend aufgeklärt werden müssen. Notfalls vor Gericht.
Die Opposition im monatelang vor sich hindümpelnden
NSA-Untersuchungsausschuss hat längst Lunte gerochen. Sie hat sich
zwar auf den ehemaligen Kanzlertamtschef Thomas de Maizière
eingeschossen, der spätestens ab 2010 von den unheiligen
BND-NSA-Allianz gewusst haben müsste. Auch in der SPD werden die
Stimmen lauter, die dem Merkel-Vertrauten eine überziehen und seine
Verantwortung für die Vorgänge geklärt haben möchten. Wohlfeile
Rücktrittsforderungen inklusive. Doch dabei gilt wohl das alte
Sprichwort: Man schlägt den Sack, meint aber den Esel. Wenn die
jetzige Affäre auch nur etwas am Lack der alles überragenden
Kanzlerin kratzen könnte, käme das auch der im Umfragekeller
darbenden SPD zupass.
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