19.10.2015 20:42:38
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Christian Kucznierz zu Pegida/Attentat in Köln
Regensburg (ots) - Die Worte sind wohl gewählt: "Bleiben Sie weg
von denen, die diesen Hass, dieses Gift in unser Land spritzen", sagt
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zu denjenigen, die mit Pegida
sympathisieren. Leider ist es derselbe Innenminister, der vor nicht
einmal einem Jahr sagte, unter den Pegida-Sympathisanten gebe es
viele, die nur "ihre Sorgen vor den Herausforderungen unserer Zeit"
zum Ausdruck brächten. Aber der Innenminister kann sich damit
trösten, dass er nicht allein ist mit seiner desaströsen
Fehleinschätzung der selbst ernannten Patriotischen Europäer gegen
die Islamisierung des Abendlandes. Beruhigend ist das nicht. Im
Gegenteil. Die Entstehung und das Fortbestehen von Pegida ist ein
Beleg für das Versagen aller politischen Parteien. Niemand hat es
geschafft, die Massen von den Straßen Dresdens fernzuhalten. Niemand
hat es geschafft, die Bewegung als das zu entlarven, was sie ist:
Eine Gruppe von Rechtsextremen, die mit Angst die verführt, die die
Politik vergessen hat. Pegida ist aber vor allem ein Schlag ins
Gesicht all derer, die glauben, dass ein bisschen Rechtsaußen wichtig
ist, um den rechten Rand abzudecken. Was für ein Irrglaube! Es ist
nicht so, dass die "Rechtsschwenk Marsch!"-Kohorten in Teilen der CDU
und der CSU einen Siegeszug der rechten Parteien stoppen würden, wie
sie den Menschen versichern - und sich selbst in ihren stillen,
angsterfüllten Momenten. Es ist nicht so, dass die
rechtspopulistischen Parteien von den Konservativen verdrängt werden.
Sie werden von ihnen gefüttert. Wer Fremdenfeindlichkeit auch nur
latent toleriert, wer Vorurteile schüren hilft, bereitet den Boden
für Rattenfänger von rechts. Vor allem dann, wenn er diesen auch noch
eine Existenzberechtigung zuschreibt; siehe de Maizières mit seinen
Reden von "besorgten Bürgern", die sich bei Pegida besser aufgehoben
fühlen als bei den großen Parteien. Was soll das überhaupt für eine
Rechtfertigung sein? Es ist bezeichnend für die rechtsäugige
Blindheit vor allem der Konservativen, dass es erst eines versuchten
Mordanschlags bedurfte, diesmal auf eine parteilose, mittlerweile
gewählte Bürgermeisterin. Henriette Reker ist Opfer eines Anschlags
eines Rechtsextremen geworden. Sie hat beinahe mit dem Leben dafür
bezahlen müssen, dass rechte Gewalt in Deutschland nach wie vor
verharmlost wird. Das war nie anders, vom Oktoberfest-Attentat bis
hin zu den Morden des NSU: Während Menschen in die Luft gesprengt und
Ausländer durch die Straßen gejagt wurden, während Neonazis mordend
durchs Land zogen, waren dem Verfassungsschutz gewaltbereite
Linksextremisten mehr Aufmerksamkeit wert. Nicht, dass es im linken
Spektrum etwas zu beschönigen gäbe: Aber wer nachrechnet, wie viele
Opfer seit dem Ende der RAF dem linken und den rechten Terror
zuzurechnen sind, stößt auf eine eklatante Disbalance hin zur rechten
Seite der Waagschale. Und nun Pegida: Es mag ja stimmen, dass unter
den Tausenden, die durch Dresden marschieren, Menschen sind, die
Angst haben. Aber vor was? Vor einer Islamisierung? Es wäre
interessant zu wissen, wie viele unter den Besorgten sich ihrer
christlichen Prägung sicher sind und mehr als eines der zehn Gebote
kennen. "Du sollst nicht töten" wäre eines davon - und eines, das
einige der selbst ernannten Patrioten vielleicht bereit wären zu
brechen für "die Sache". Was sonst sollte der Galgen mit den Namen
von Merkel und Gabriel denn bedeuten? Diejenigen, die diese Form des
Protests gutheißen, sind dann aber auch mit Argumenten nicht mehr
erreichbar. Sie sind einer Debatte nicht mehr zugänglich. Auch das
gehört zu einer demokratischen Gesellschaft. Auch das muss ein Staat
aushalten. Er muss nicht versuchen, sie zu erreichen. Er sollte nur
verhindern, dass es mehr werden, die so denken und handeln. Zuletzt,
und das dürfte der Großteil der Pegida-Mitläufer sein, gibt es die,
die wenig haben und fürchten, dass es ihnen genommen wird. Pegida
lenkt ihre Angst auf Flüchtlinge, Ausländer, Fremde. Es ist das
kleine Einmaleins der rechten Propaganda: Brandmarken, Ausgrenzen. Am
Ende steht die Gewalt. Deswegen ist de Maizières Appell richtig. Er
kommt nur viel zu spät. Die Flüchtlingsunterkünfte brennen schon, der
erste Mordversuch an einer Politikerin ist verübt. Aber zumindest:
Die Politik ist aufgewacht. Sie muss nun zeigen, dass sie gelernt hat
aus dem Geschehenen. Wer jetzt noch hetzt, hat die Zeichen an der
Wand noch immer nicht erkannt. Sie stehen dort nicht erst seit einem
Jahr.
OTS: Mittelbayerische Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/62544 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_62544.rss2
Pressekontakt: Mittelbayerische Zeitung Redaktion Telefon: +49 941 / 207 6023 nachrichten@mittelbayerische.de
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