06.07.2016 22:02:38
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Mittelbayerische Zeitung: Junckers großer Fehler / Die EU-Kommission hatte für das Freihandelsabkommen mit Kanada grünes Licht, das sie nicht nutzte. Leitartikel von Daniela Weingärtner
Regensburg (ots) - Die EU muss sich nach dem Brexitschock ändern
darin immerhin sind Europa-Skeptiker und EU-Enthusiasten, Rechte und Linke, Nord- und Südländer einig. Schaut man sich allerdings die Forderungen des slowakischen Premiers Robert Fico (der ab Juli für sechs Monate den Ratsvorsitz führt) genauer an, sind sie mit den Reformrezepten von - beispielsweise - Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (CDU) und Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) völlig unvereinbar. Fico ist überzeugt, dass die populistischen Strömungen, die sich wie eine Seuche über Europa ausbreiten, nur dadurch eingedämmt werden können, dass man den Bürgern ihre souveränen Nationalstaaten zurückgibt. Deshalb hat er den Post-Brexit-Gipfel, auf dem die verbliebenen 27 EU-Regierungen Mitte September über die Zukunft der EU beraten wollen, nach Bratislava verlegt. Es ist der erste Gipfel seit zwölf Jahren, der nicht in Europas Hauptstadt stattfindet. Fico meint, außerhalb der Brüsseler Blase ließe es sich besser nachdenken. Doch sind EU-Gipfel keine Klausurtagungen sondern Teil des politischen Betriebs. EU-Kommission, Parlament und Rat der Regierungen sollten wie gut geschmierte Rädchen ineinander greifen, wenn die Gesetzesmaschine angeworfen wird. Bleiben wichtige Vorhaben wie die Bankenregulierung, der Klimaschutz, der gemeinsame Grenzschutz oder die Lastenteilung bei der Einwanderung jahrelang im Getriebe stecken, steigert das die EU-Verdrossenheit der Bürger. Statt eine unverbindliche Debatte über die Zukunft Europas loszutreten, sollten die Politiker endlich umsetzen, was sie gemeinsam als "Vertrag von Lissabon" beschlossen haben. Bereits vor der EU-Erweiterung hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass viele Aufgaben national nicht mehr zu stemmen sind und deshalb die Gesetzgebung auf europäischer Ebene reibungsloser funktionieren muss. Doch die nationalen Regierungen gaben nur widerwillig Kompetenzen an die EU-Kommission und das Europaparlament ab. Wo immer möglich, versuchen sie den Gemeinschaftsweg zu vermeiden und sich zwischenstaatliche Ausweichrouten zu suchen. Ratspräsident Robert Fico sagt nun ganz offen, dass er möglichst viel Sand ins Räderwerk des Lissabon-Vertrags werfen will. Die Wähler hingegen wollen, dass die EU funktioniert - auch wenn sie dafür ganz sicher nicht geliebt wird. Beliebter könnte sie werden, wenn Kommissionspräsident Juncker das Programm umsetzen würde, mit dem er angetreten ist: Nur noch die großen Dinge in Brüssel zu regeln, die kleinen hingegen den Staaten, Ländern und Regionen zu überlassen, wo sie besser aufgehoben wären. Das Freihandelsabkommen mit Kanada ist so ein großes Ding. Sämtliche Mitgliedsstaaten haben der EU-Kommission dafür das Verhandlungsmandat erteilt. Nun doch noch die nationalen Parlamente damit zu befassen und eine jahrelange Hängepartie zu riskieren, war ein großer Fehler. Wer nach entbehrlichen kleinen Dingen sucht, braucht nur einen Blick auf die gestrige Tagesordnung des EU-Parlaments zu werfen. Soziale Inklusion von Flüchtlingen, Sozialnormen und Menschenrechte bei Unternehmen, eine zukunftsfähige Strategie für Handel und Investitionen - die politische Führung der EU-Kommission weiß genau, dass diese Regelungswut EU-Verdrossenheit produziert. Aber viele EU-Beamte haben sich in ihrem jeweiligen Schrebergärtchen, wo sie nach eigenem Gusto die Welt ein bisschen verändern dürfen, wunderbar eingerichtet. Es ist eine Herkulesaufgabe, diesen Eifer zu bremsen und in nützlichere Kanäle umzuleiten. Geschieht das aber nicht, wird es mittelfristig keine EU-Kommission mehr geben, bei der die Erbsenzähler ungestört ihr Werk tun können.
darin immerhin sind Europa-Skeptiker und EU-Enthusiasten, Rechte und Linke, Nord- und Südländer einig. Schaut man sich allerdings die Forderungen des slowakischen Premiers Robert Fico (der ab Juli für sechs Monate den Ratsvorsitz führt) genauer an, sind sie mit den Reformrezepten von - beispielsweise - Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (CDU) und Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) völlig unvereinbar. Fico ist überzeugt, dass die populistischen Strömungen, die sich wie eine Seuche über Europa ausbreiten, nur dadurch eingedämmt werden können, dass man den Bürgern ihre souveränen Nationalstaaten zurückgibt. Deshalb hat er den Post-Brexit-Gipfel, auf dem die verbliebenen 27 EU-Regierungen Mitte September über die Zukunft der EU beraten wollen, nach Bratislava verlegt. Es ist der erste Gipfel seit zwölf Jahren, der nicht in Europas Hauptstadt stattfindet. Fico meint, außerhalb der Brüsseler Blase ließe es sich besser nachdenken. Doch sind EU-Gipfel keine Klausurtagungen sondern Teil des politischen Betriebs. EU-Kommission, Parlament und Rat der Regierungen sollten wie gut geschmierte Rädchen ineinander greifen, wenn die Gesetzesmaschine angeworfen wird. Bleiben wichtige Vorhaben wie die Bankenregulierung, der Klimaschutz, der gemeinsame Grenzschutz oder die Lastenteilung bei der Einwanderung jahrelang im Getriebe stecken, steigert das die EU-Verdrossenheit der Bürger. Statt eine unverbindliche Debatte über die Zukunft Europas loszutreten, sollten die Politiker endlich umsetzen, was sie gemeinsam als "Vertrag von Lissabon" beschlossen haben. Bereits vor der EU-Erweiterung hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass viele Aufgaben national nicht mehr zu stemmen sind und deshalb die Gesetzgebung auf europäischer Ebene reibungsloser funktionieren muss. Doch die nationalen Regierungen gaben nur widerwillig Kompetenzen an die EU-Kommission und das Europaparlament ab. Wo immer möglich, versuchen sie den Gemeinschaftsweg zu vermeiden und sich zwischenstaatliche Ausweichrouten zu suchen. Ratspräsident Robert Fico sagt nun ganz offen, dass er möglichst viel Sand ins Räderwerk des Lissabon-Vertrags werfen will. Die Wähler hingegen wollen, dass die EU funktioniert - auch wenn sie dafür ganz sicher nicht geliebt wird. Beliebter könnte sie werden, wenn Kommissionspräsident Juncker das Programm umsetzen würde, mit dem er angetreten ist: Nur noch die großen Dinge in Brüssel zu regeln, die kleinen hingegen den Staaten, Ländern und Regionen zu überlassen, wo sie besser aufgehoben wären. Das Freihandelsabkommen mit Kanada ist so ein großes Ding. Sämtliche Mitgliedsstaaten haben der EU-Kommission dafür das Verhandlungsmandat erteilt. Nun doch noch die nationalen Parlamente damit zu befassen und eine jahrelange Hängepartie zu riskieren, war ein großer Fehler. Wer nach entbehrlichen kleinen Dingen sucht, braucht nur einen Blick auf die gestrige Tagesordnung des EU-Parlaments zu werfen. Soziale Inklusion von Flüchtlingen, Sozialnormen und Menschenrechte bei Unternehmen, eine zukunftsfähige Strategie für Handel und Investitionen - die politische Führung der EU-Kommission weiß genau, dass diese Regelungswut EU-Verdrossenheit produziert. Aber viele EU-Beamte haben sich in ihrem jeweiligen Schrebergärtchen, wo sie nach eigenem Gusto die Welt ein bisschen verändern dürfen, wunderbar eingerichtet. Es ist eine Herkulesaufgabe, diesen Eifer zu bremsen und in nützlichere Kanäle umzuleiten. Geschieht das aber nicht, wird es mittelfristig keine EU-Kommission mehr geben, bei der die Erbsenzähler ungestört ihr Werk tun können.
OTS: Mittelbayerische Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/62544 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_62544.rss2
Pressekontakt: Mittelbayerische Zeitung Redaktion Telefon: +49 941 / 207 6023 nachrichten@mittelbayerische.de
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