20.05.2015 22:02:37
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Mittelbayerische Zeitung: In Trümmern / Der Vormarsch der IS-Miliz in Syrien und im Irak beweist das Scheitern von Obamas Anti-Terror-Strategie. Leitartikel von Thomas Spang
Regensburg (ots) - Der erfolgreiche Schlag eines
US-Spezialkommandos gegen die Nummer zwei des Islamischen Staats Abu
Sayyaf kam wie gerufen. Das Weiße Hause präsentierte die von
Präsident Obama persönlich abgesegnete Kommando-Aktion im Osten
Syriens als weiteren Beleg für die Fortschritte im Kampf gegen den
IS-Terror. In der Rückschau entpuppt sich die PR-Offensive vom
Wochenende als klassisches Ablenkungs-Manöver. Denn während die
Eilmeldungen den Tod Sayyafs verkündeten, besetzten Kämpfer des
Islamischen Staats die strategisch höchst wichtige Hauptstadt der
sunnitischen Anbar-Provinz in Irak, Ramadi. Nachdem die
Propaganda-Nebel verzogen sind, fällt der Blick frei auf den Ernst
der Lage. Der Islamische Staat konsolidiert seine Macht in Syrien und
Irak, während die Amerikaner nicht viel mehr als temporäre Erfolge in
Tikrit, Kobane und zuletzt mit dem Schlag gegen Abu Sayyaf vorweisen
können. Tatsächlich liegt mit dem Fall Ramadis nicht nur das Zentrum
der Sunniten-Provinz in Trümmern, sondern auch die von Präsident
Obama verfolgte Anti-IS-Strategie. Deren Hauptdefizit besteht darin,
falsche Erwartungen zu hegen und auf Partner zu setzen, die es in der
Wirklichkeit nicht gibt. In Syrien übernehmen die sogenannten
"moderaten" Rebellen, die gleichermaßen Diktator Assad und die ISIS
bekämpfen, diese Rolle. In Irak fällt sie den "sunnitischen Stämmen"
und der irakischen Armee zu. Leider fehlt es beiden Anti-IS-Gruppen
an Mannstärke, Fähigkeit und Kampfeswillen, die synthetischen Träume
der Experten amerikanischer Denkfabriken Realität werden zu lassen.
In Ramadi liefen Angehörige der sunnitischen Stämme über zu den
Glaubensbrüdern des Islamischen Staats und die irakischen
Regierungstruppen davon. Wie vor fast genau einem Jahr als die
zahlenmäßig unterlegenen Terrortruppen die zweitgrößte Stadt des Irak
Mosul einnahmen. Obamas Strategie, sunnitischen Extremismus mit
Sunniten zu bekämpfen, entspringt einer richtigen Analyse, zieht aber
die falschen Schlüsse. Die paar "moderaten" Kräfte in der Region
haben dem sektiererischen Hass wenig entgegenzusetzen, der Schiiten
und Sunniten überall im Mittleren Osten einander an die Gurgel gehen
lässt. Übrigens nicht nur in Syrien und Irak, sondern auch in vielen
anderen Staaten mit signifikanten schiitischen oder sunnitischen
Minderheiten. Dieser Hass wird darüber hinaus von den beiden
Hegemonial-Mächten Iran und Saudi-Arabien angeheizt, die über
Milizen, Stämme und extremistische Gruppen Stellvertreterkriege
führen. Solange die USA nicht bereit und willens sind, mit einem
massiven militärischen Kraftakt im Mittleren Osten für eine "Pax
Americana" zu sorgen, können sie die Ereignisse vor Ort nur partiell
beeinflussen. Für eine solche Intervention fehlt bei der Supermacht
der Wille. Die USA haben aus der Invasion des Irak gelernt, dass sich
historische Prozesse nicht beschleunigen oder gar überspringen
lassen. Der Sturz Saddam Husseins führte nicht zu einer
Demokratisierung der Region, sondern ließ die Dominos in Richtung
Desintegration fallen. So leicht es fällt, Obama das Scheitern seiner
Strategie zu bescheinigen, so schwer ist es, eine Alternative
aufzubieten. Abermals mit Bodentruppen einzugreifen, macht die Dinge
nicht besser. Angesichts der terroristischen Bedrohung durch den IS
und andere Extremisten nichts zu tun, lässt sich genauso schwer
vertreten. In dieser Perspektive ergibt es Sinn, auf Sicht zu fahren.
Lösen lässt sich der historische Grundkonflikt in der Region damit
nicht. Aber vielleicht besteht die Chance, das Schlimmste zu
verhindern.
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