18.04.2022 16:31:38

Mehrere Tote bei russischem Angriff auf Lwiw - Kampf um Mariupol

KIEW/BERLIN (dpa-AFX) - Russland hat seine Luftangriffe auf die Ukraine verstärkt und nach eigenen Angaben allein in der Nacht zum Montag über 100 Ziele angegriffen. Beim Raketenbeschuss der westukrainischen Stadt Lwiw (Lemberg) kamen nach Angaben der Behörden mindestens sechs Menschen ums Leben. Tote wurden auch aus anderen Landesteilen gemeldet.

In der Ost-Ukraine gingen die schweren Kämpfe weiter, dort wird in den kommenden Tagen mit einer Großoffensive russischer Truppen gerechnet. In der heftig umkämpften Hafenstadt Mariupol ließen ukrainische Kämpfer erneut ein Ultimatum der Russen verstreichen. Sie weigerten sich, die Waffen niederzulegen und aufzugeben.

In einem Lagebericht der britische Geheimdienste hieß es, die Angriffe Moskaus auf bewohnte Gebiete in Mariupol ähnele dem russischen Vorgehen in Tschetschenien 1999 und in Syrien 2016 und widerspreche der Erklärung des russischen Verteidigungsministeriums zu Beginn des Krieges, dass man keine Städte oder die ukrainische Bevölkerung angreifen wolle.

Russland setzt Angriffe fort

Unter den Verletzten in Lwiw ist nach Angaben des Bürgermeisters auch ein Kind. Über die Anzahl der Raketen gibt es unterschiedliche Angaben, es wird von vier oder fünf Einschlägen berichtet. Es sollen Militärobjekte getroffen worden sein, aber auch zivile Objekte wie ein Reifenservice und ein Hotel. Lwiw war in der Vergangenheit schon Ziel von Luftangriffen. In der Nähe der Stadt gibt es mehrere Militärobjekte und sie gilt als wichtiger Umschlagpunkt für Waffenlieferungen aus dem Westen.

Dramatische Lage in umkämpfter Hafenstadt Mariupol

Auch im belagerten Mariupol gingen die Kämpfe weiter. Der ukrainische Generalstab berichtete am Sonntagabend von russischen Raketen- und Bombenangriffen. Dabei kämen auch Überschallbomber vom Typ Tu-22M3 zum Einsatz. Regierungschef Denys Schmyhal sagte dem US-Sender ABC, die Stadt sei nicht gefallen. Die ukrainischen Soldaten würden in Mariupol "bis zum Ende kämpfen". Außenminister Dmytro Kuleba berichtete im US-Sender CBS, die eigenen Truppen seien "im Grunde eingekreist" von russischen Truppen, die Mariupol dem Erdboden gleichmachen wollten. In dem Stahlwerk Asowstal sollen sich mehrere Tausend ukrainische Kämpfer verschanzt haben. Auch zahlreiche Zivilisten befinden sich nach Angaben örtlicher Behörden auf dem umkämpften Gelände des Werks, zu dem auch unterirdische Anlagen gehören.

Russland hatte den verbliebenen ukrainischen Truppen in Mariupol zuvor mit Vernichtung gedroht. Ein Ultimatum, die Waffen bis zum Sonntagmittag niederzulegen und sich zu ergeben, ließen die Ukrainer verstreichen. Britische Geheimdienste vermuten, dass die heftigen Kämpfe um die Stadt den Vormarsch der russischen Truppen ausgebremst haben.

Diskussion um Waffenlieferungen dauert an

In der EU und in Deutschland wird weiter über Waffenlieferungen in die Ukraine debattiert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen appellierte an die EU-Länder: "Für alle Mitgliedstaaten gilt, wer kann, sollte schnell liefern, denn nur dann kann die Ukraine in ihrem akuten Abwehrkampf gegen Russland bestehen", sagte sie der "Bild am Sonntag". In Deutschland wird die zögerliche Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vielfach kritisiert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi warnte vor dem Hintergrund einer erwarteten russischen Großoffensive im Osten der Ukraine vor Zurückhaltung. "Diejenigen, die von uns benötigte Waffen und Munition haben und ihre Hilfe zurückhalten, müssen wissen, dass das Schicksal dieser Schlacht auch von ihnen abhängt. Das Schicksal von Menschen, die gerettet werden können", sagte er in seiner täglichen Videoansprache in der Nacht zum Montag.

Deutschland hat bisher unter anderem Panzerfäuste, Luftabwehrraketen, Maschinengewehre, aber auch Fahrzeuge, Nachtsichtgeräte und Schutzausrüstung geliefert. Die Ukraine fordert mit Blick auf die erwartete russische Großoffensive aber auch die Lieferung schwerer Waffen. Darunter fallen etwa Kampfpanzer, Artilleriegeschütze oder auch Kampfhubschrauber. Scholz wird in dieser Frage auch von Politikern der Koalitionsparteien Zaudern vorgeworfen. Überraschend wurde am Karfreitag bekannt, dass die Regierung Finanzhilfen für militärische Anschaffungen in Partnerländern in diesem Jahr von 225 Millionen auf 2 Milliarden Euro deutlich erhöhen will. Die Ukraine soll davon mehr als die Hälfte bekommen.

Keine Fluchtkorridore und keine Verhandlungserfolge

Bei den Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine für eine Beendigung des Krieges sind nach Kremlangaben weiter keine Fortschritte in Sicht. Die Ukraine ändere ihre Position oft und lasse keine besondere Konstanz bei Abstimmungsfragen erkennen, hieß es. Gleichwohl gebe es weiter Kontakte, werde weiter auf Expertenebene verhandelt. Auch auf Fluchtkorridore für Zivilisten konnten sich die Parteien den zweiten Tag in Folge nicht einigen. Zuletzt waren am Samstag knapp 1500 Menschen über derartige Routen in sichere Gebiete gelangt.

Papst Franziskus spricht von "Ostern des Krieges"

Papst Franziskus nutzte die Feierlichkeiten rund um das Osterfest in Rom, um zum Ende des Krieges in der Ukraine aufzurufen. "Zwist, Kriege und Streitigkeiten mögen dem Verständnis und der Versöhnung weichen", sagte das katholische Kirchenoberhaupt am Ostermontag vor zahlreichen Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom. Zuvor hatte er angesichts des Ukraine-Krieges und anderer Konflikte von einem "Ostern des Krieges" gesprochen-

Fast 5 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine

Seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar haben nach UN-Angaben mehr als 4,9 der ehemals 44 Millionen Einwohner die Ukraine verlassen. Außerdem wurden mehr als 7 Millionen Menschen im Land vertrieben.

Mit mehr als 2,8 Millionen haben sich die meisten Menschen aus der Ukraine in Polen in Sicherheit gebracht. Aber der Grenzschutz berichtete, dass er am Sonntag erneut mehr Einreisen in die Ukraine als Ausreisen aus dem östlichen Nachbarland gezählt habe.

Die Bundespolizei hat bislang 357 253 Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland festgestellt. Das teilte das Bundesinnenministerium am Montag auf Twitter mit. Die tatsächliche Zahl dürfte aber höher liegen, weil es an den Grenzen keine festen Kontrollen gibt und sich Menschen mit ukrainischem Pass 90 Tage lang ohne Visum in der EU aufhalten dürfen./rew/DP/he

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