Wifo und IHS 07.10.2022 17:16:00

Leichter Aufschwung für Österreich erst für Frühjahr 2023 prognostiziert

Leichter Aufschwung für Österreich erst für Frühjahr 2023 prognostiziert

2023 wird sich daher nur noch ein geringes Konjunkturplus ausgehen. Für das laufende Jahr erwarten die Experten vom WIFO noch ein BIP-Plus von 4,8 Prozent, das IHS geht von einem Wirtschaftswachstum um 4,7 Prozent aus.

Der Ukraine-Krieg hat zu einem drastischen Anstieg der Energiepreise geführt. Aber auch die stark steigenden Rohstoffkosten haben die Inflation in die Höhe getrieben. "Wir haben die höchste Inflationsrate seit 1974/75", gibt WIFO-Chef Gabriel Felbermayr zu bedenken. Die hohe Unsicherheit bremst die Expansion der Weltwirtschaft. Daher erwarten die Konjunkturexperten für Österreich nur noch ein geringes Wachstum bei relativ hoher Inflation. Das WIFO geht für das kommende Jahr 2023 von 0,2 Prozent Wirtschaftswachstum aus, das IHS von 0,3 Prozent. Der Gaspreis wird weiterhin auf einem hohen Preisniveau bleiben, rechnet Felbermayr. Dafür zeichnet sich durch die schwächere Weltwirtschaft beim Ölpreis eine Entspannung ab.

Das IHS habe heuer zu einem früheren Zeitpunkt, als die Risiken schlechter abzuschätzen waren, ein "Worst Case Scenario" berechnet. Demnach wäre für 2023 ein Wirtschaftsabschwung um 2,5 Prozent möglich gewesen. "Aber nach der aktuellen Situation zeichnet sich kein Armageddon ab", gibt IHS-Chef Klaus Neusser Entwarnung.

Ein leichter Aufschwung ist laut IHS erst im Frühjahr 2023 zu erwarten - vorausgesetzt, die Gasversorgung kann aufrechterhalten werden. Wobei das WIFO vorerst keine Probleme ortet. Die Gasspeicher sind zwar zu 85 Prozent gefüllt, allerdings gehören geschätzt 50 Prozent davon Österreich. Der Gasverbrauch ist um 7 Prozent gesunken - daher entspricht der Gasvorrat 55 Prozent des Bedarfs. Einige Unternehmen haben Gasvorräte im Ausland. Auch wenn der Gasvorrat demnach schwer abzuschätzen sei, sollte er bis Mitte 2023 aus heutiger Sicht gesichert sein.

Der private Konsum sollte heuer mit einer Zunahme um 4,7 Prozent der Wachstumstreiber bleiben, prognostiziert das IHS. Das WIFO ist für das laufende Jahr vorsichtiger: Haushalte mit eingeschränkter Liquidität würden ihren Konsum reduzieren. Aufgrund der relativ hohen Inflation sei mit einer Zunahme dieser Haushalte zu rechnen. Andererseits würden Haushalte, die keine Liquiditätsschwierigkeiten haben, mehr konsumieren. Schließlich sinke der bereits negative Realzinssatz durch die Inflation weiter, was den Konsum anrege. Das WIFO rechnet mit einer Zunahme der Konsumausgaben um 3,8 Prozent im laufenden Jahr und um 1 Prozent 2023.

Allerdings werde sich die prognostizierte Abflachung der konjunkturellen Dynamik nur langsam auf die Preise auswirken, prognostiziert das WIFO. Daher erwartet das WIFO einen Rückgang der Inflation auf 6,6 Prozent. Das IHS geht mit 6,8 Prozent Inflation für das nächste Jahr hingegen von einer weniger optimistischen Prognose aus. Die hohe Verbraucherpreisinflation wird den Wirtschaftsforschern zufolge vor allem 2023 zu höheren Lohnabschlüssen führen. Die expansive Fiskalpolitik werde ebenfalls ihren Anteil zur hohen Inflation beitragen. Allerdings werde etwa eine Strompreisbremse dem entgegenwirken. Daher rechnet Neusser, dass die Inflation bis Ende 2023 auf "nach wie vor sehr hohe 5 Prozent fällt".

Vorerst erwartet das IHS, dass die Bruttoreallöhne heuer um 4,2 Prozent, die Nettoreallöhne um 2,8 Prozent sinken. Erst 2023 sei dank guter Lohnabschlüsse und den Steuervorteilen -Stichwort "kalte Progression" - mit einem kleinen Plus zu rechnen.

Durchaus positiv sind nach wie vor die Arbeitslosenzahlen, obwohl die Zahl der Arbeitslosen in den vergangenen Monaten leicht gestiegen ist. Für heuer rechnen die beiden Institute mit einem Anstieg der Beschäftigten um 2,7 bzw. 2,8 Prozent. Doch 2023 dürfte die Arbeitslosenquote von etwa 6,4 Prozent auf 6,7 Prozent steigen, sind sich WIFO und IHS einig. "Insgesamt sind die Zahlen jedoch besser als die Stimmung", gibt Neusser zu bedenken.

Die Konjunkturprognosen führen zu heftiger Regierungskritik seitens SPÖ, FPÖ und Neos: "Die Regierung muss ein Budget vorlegen, dass die Preise massiv senkt, denn nur so können die Inflation und die drohende Stagnation bekämpft werden. Die Preise müssen runter, ansonsten fährt Österreich an die Wand!", sagt SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter und fordert einen Gaspreisdeckel.

"Derzeit befindet sich Österreichs Wirtschaft mit einem Höllentempo auf einer Talfahrt ohne absehbaren Schlussteil, weil die schwarz-grüne Regierung einfach den Zeitpunkt zum rechtzeitigen Eingreifen samt dringend notwendigem Gegenlenken vollkommen verschlafen hat, und dafür tragen sie die volle Verantwortung", merkt FPÖ-Wirtschaftssprecher Erwin Angerer an. Wobei Angerer etwa die Einführung der CO2-Steuer massiv kritisiert.

NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker wiederum merkt an: "Der Abschwung lässt sich nicht mit Gutscheinen und Einmalzahlungen aufhalten, ÖVP und Grüne müssen endlich echte Reformen angehen. Das kommende Jahr wird ein Jahr der Stagflation und deswegen müssen wir sofort dafür sorgen, dass die Unternehmen möglichst produktiv bleiben können."

Die Wirtschaftskammer wiederum befürchtet, dass Österreich von der Stagflation in die Rezession schlittern könnte: "Wir liegen hier nur noch knapp über der Nulllinie. Die Abwärtsrisiken und geopolitischen Unsicherheitsfaktoren sind enorm, wir könnten allzu leicht in die Rezession abrutschen. Umso wichtiger ist es daher, den Unternehmen und der Wirtschaft als Ganzes Spielraum zu verschaffen. Ein Wirtschaften am äußersten Limit - wie das aufgrund der Kostensituation in unzähligen Betrieben quer durch alle Branchen längst traurige Realität ist - ist für den Standort, seine Betriebe und Mitarbeiter existenzgefährdend", so WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf.

Wirtschaftsminister Martin Kocher kann der Kritik nichts abgewinnen: "Österreich geht gut vorbereitet in eine auch wirtschaftlich schwierigere Zeit. Das Jahr 2023 wird sehr wahrscheinlich eine Herausforderung für den österreichischen Standort. Daher ist es zentral, das Vertrauen der Unternehmen und der Bevölkerung in den Standort zu stärken. Die Bundesregierung setzt schon seit Jänner dieses Jahres Entlastungsschritte, die auch im kommenden Jahr greifen werden, wie die Abschaffung der Kalten Progression, die Senkung der Lohnnebenkosten oder der Energiekostenzuschuss. Viele direkte Hilfen wurden bereits oder werden derzeit Schritt für Schritt ausbezahlt. Das ist in Zeiten von hoher Inflation, wie wir sie aktuell erleben und auch nächstes Jahr sehen werden, wichtig und führt dazu, dass die Kaufkraft gestärkt wird."

APA

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