14.11.2013 20:52:07
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Lausitzer Rundschau: Genossen in Therapie Zum Bundesparteitag der SPD in Leipzig
Cottbus (ots) - Sechs Wochen dümpeln die Koalitionsverhandlungen
in Berlin jetzt schon vor sich hin. In großen Runden, Arbeitsgruppen
und kleinen Untergruppen. Und als wäre das noch nicht nervig genug,
wird der Regierungsbildungsprozess nun auch noch von einem
SPD-Parteitag gestört. So mögen die meisten Bürger denken. Die
Wahrnehmung vieler Sozialdemokraten ist jedoch eine andere. Am 22.
September hat die Partei das zweitschlechteste Bundestagswahlergebnis
ihrer Geschichte eingefahren. Und das, obwohl man doch angeblich das
beste politische Programm aller Zeiten hatte, wie führende Genossen
bis heute behaupten. Dieser Zwiespalt provoziert geradezu eine
schonungslose Fehleranalyse und lässt eine Eilentscheidung zugunsten
einer künftigen Regierungsteilhabe nicht zu. Für die Führung der SPD,
allen voran Sigmar Gabriel, ist das eine Gratwanderung. Einerseits
trägt sie die Hauptverantwortung für den Schlamassel. Andererseits
darf die Selbstkasteiung nicht so weit gehen, dass die
Regierungsoption mit der ungeliebten Union verschüttet wird. In
seiner Rede vor den 600 Parteitagsdelegierten in Leipzig hat Gabriel
diese Herausforderung angenommen. Das war kein Luftikus, der sich da
präsentierte, sondern ein ernster Obergenosse, der den Seinen schwere
Kost servierte. Kurz gefasst lautete Gabriels Analyse so: Die
wirtschaftliche Kompetenz der SPD ist lau, und in ihrer
Paradedisziplin, der Sozialpolitik, ist sie kaum noch glaubhaft. Der
Befund deckt sich nicht nur mit Meinungsumfragen in der Bevölkerung.
Die SPD-Basis tickt genauso. Schon die letzte Große Koalition
zwischen 2005 und 2009 hat sie als Verrat an den sozialdemokratischen
Überzeugungen empfunden. Jetzt ist ihre Befürchtung groß, dass sich
dies in einer schwarz-roten Neuauflage wiederholt. Das hat viel mit
dem unbewältigten Erbe der Agenda 2010 zu tun. Aber auch mit den
großspurigen Tönen im Wahlkampf, einen "Politikwechsel"
herbeizuführen, der allerdings bei realistischer Betrachtung weder
von der Bevölkerung gewollt, noch mit der Union zu machen ist. In
dieser Situation hat die SPD zwei Möglichkeiten: als Juniorpartner
der Union kleinere Brötchen zu backen oder in die Opposition zu
gehen. Dass sich die Partei dort profilieren könnte, ist eine Mär.
Denn so links wie die Linke, die dort schon sitzt, kann sie nicht
mehr werden. Es wäre ein aussichtsloser Wettlauf. Zumal der
verbissene Kampf für mehr Umverteilung, sprich Steuererhöhungen, auch
kein Erfolgsrezept ist, wie sich bei der Bundestagswahl gezeigt hat.
So ist es an Gabriel, die Partei ideologisch abzurüsten. In Leipzig
hat er damit argumentiert, dass bestimmte Veränderungen - siehe
Mindestlohn oder doppelte Staatsbürgerschaft - am Ende doch allemal
besser seien als überhaupt keine. Und wer trotzdem glaubt, die
Chefetage der SPD schiele nur nach Kabinettsposten - der wird auf das
ungewöhnlich großzügige Mitsprache- und Entscheidungsrecht der Basis
verwiesen. Über einen Koalitionsvertrag hat noch keine Partei ihre
Mitglieder abstimmen lassen. Gerade das ist Gabriels Trumpf im
Spiel. Sicher, man kann diesen quälend langen Entscheidungsprozess
beklagen. Sollten die SPD-Mitglieder am Ende für eine Regierung mit
der Union votieren, wären die Koalitionsverhandlungen allerdings
nicht nur ein Mittel erfolgreicher Selbsttherapie gewesen.
Schwarz-Rot hätte dann auch eine besondere Legitimation. Geht das
Votum schief, bricht in der SPD das Chaos aus. Und Gabriel hätte sein
Blatt überreizt.
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Pressekontakt: Lausitzer Rundschau
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