Emerging Markets |
11.05.2013 03:00:02
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Lateinamerika: Chancen mit der neuen Mitte
Die Zeichen für eine Fortsetzung des Aufschwungs in Lateinamerika stehen gut, vor allem in Brasilien. Die dortige Wirtschaft entwickelt derzeit eine eigene Dynamik, will sich mehr und mehr aus der Abhängigkeit vom Rohstoffmarkt lösen. Mit ein Grund dafür ist, dass sich die Lebensverhältnisse für einen erheblichen Teil des 194-Millionen-Volks in den letzten Jahren deutlich verbessert haben. Dieser Fortschritt bietet viele neue Chancen — für die Brasilianer selbst, aber auch für international anlegende Investoren.
Seit dem Jahr 2002 ist die Armut in der größten Volkswirtschaft der Südhalbkugel spürbar zurückgegangen, und etwa 35 Millionen Menschen haben den Aufstieg in die Mittelschicht geschafft. Heute zählen rund 100 Millionen Bürger zwischen Amazonas und Zuckerhut zur „neuen Mitte“. Dahinter verbirgt sich eine enorme Dynamik: Um mehr als 42 Prozent ist deren durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen seit 2008 gestiegen - von 8.700 auf über 12.300 US-Dollar pro Jahr. Der private Konsum ist so zu einer wichtigen Triebfeder für den weiteren wirtschaftlichen Aufstieg Brasiliens geworden.
Mit der wachsenden Kaufkraft haben sich auch die Ansprüche und Einkaufsgewohnheiten der Konsumenten spürbar verändert. Neben der Deckung des Grundbedarfs nimmt die Verbesserung des Lebensstandards einen immer höheren Stellenwert ein. Von der Wohnungseinrichtung über Kleidung bis zum Handy oder Kinobesuch: Die neue Mitte will besser leben. Shopping steht folglich ganz hoch im Kurs — und entsprechend attraktiv sind die Erfolgsaussichten von Unternehmen, die diesen Bedarf bedienen. Das Aufholpotenzial ist dabei immens, die erforderliche Infrastruktur wird erst langsam geschaffen. Dies gilt sowohl für unmittelbare Einkaufsmöglichkeiten wie Shoppingcenter und Einzelhändler als auch für nach- oder vorgelagerte Wirtschaftszweige, vom Konsumgüterhersteller bis zum Anbieter von elektronischen Zahlungssystemen.
Noch dominieren an der Börse
Rohstoffunternehmen
Daraus wiederum erwachsen vielfältige Anlagemöglichkeiten, auch für Investoren. Wie in jedem anderen Schwellenland ist jedoch der Blick hinter die Kulissen unverzichtbar, um beurteilen zu können, welche Unternehmen vom weiteren Wirtschaftswachstum tatsächlich profitieren sollten. Es ist auch gar nicht so einfach, gezielt in den Aufschwung der neuen Mitte zu investieren. Denn die Börse in São Paulo wird von wenigen großen Firmen dominiert, die zumeist im Rohstoffsektor tätig sind. Gute Unternehmensanalyse und Titelselektion sind deshalb erfolgsentscheidend.
Vergessen darf man dabei auch jene Probleme nicht, die für Brasilien und sein enormes Wachstumspotenzial kennzeichnend sind. Da ist zum einen die hartnäckige Inflation. Der derzeitige Preisanstieg von etwa sechs Prozent pro Jahr stellt für die brasilianischen Unternehmen allerdings keine besondere Herausforderung dar. Zum anderen ist die Infrastruktur ein echter Engpassfaktor. Großen Nachholbedarf gibt es bei Straßen, Eisenbahnverbindungen oder Häfen. Im Vorfeld der anstehenden Megaereignisse — Brasilien richtet 2014 die Fußballweltmeisterschaft und 2016 die Olympischen Spiele aus — werden zwar Anstrengungen unternommen, die sonst vor solchen Ereignissen üblichen Großbaustellen dominieren jedoch nicht das Bild brasilianischer Städte. Schließlich fehlt auch eine reibungslos funktionierende Verwaltung, obwohl Brasilien seit Beendigung der Militärdiktatur 1985 die größte Demokratie des Subkontinents ist. Aus alledem ergeben sich immer wieder Probleme für das Wirtschaftswachstum insgesamt und damit auch für die Konsummöglichkeiten der neuen Mitte.
Wer die Belastungsfaktoren nicht außer Acht lässt, für den bietet die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas dennoch echte Anlagechancen. Nach einer konjunkturellen Schwächephase in den vergangenen beiden Jahren ist für 2013 wieder mit einem Anziehen der Wachstumsrate auf über drei Prozent zu rechnen — mit entsprechend positiven Auswirkungen auf die Ertrags- und Kurspotenziale vieler Unternehmen. Damit ist Brasilien ein wichtiger Baustein für jeden Emerging-Market-Anleger oder eine gute Beimischung für global investierende Fonds. Ohnehin spricht bei diesem speziellen Anlagesegment allein schon wegen des Zeit- und Ressourcenaufwands vieles für eine Fondslösung.
zur Person:
Björn Jesch,
Leiter Portfoliomanagement
bei Union Investment
Jesch wurde Anfang der 90er-Jahre bei der Dresdner Bank als Bankkaufmann und Devisenhändler ausgebildet und war in dieser Funktion unter anderem bei der Landesbank Hessen-Thüringen in Frankfurt tätig, bevor er zur Deutschen Bank wechselte. Seit Herbst 2012 leitet er das Fondsmanagementteam der Union Investment mit rund 240 Mitarbeitern.
Union Investment gehört zu den Volks- und Raiffeisenbanken und verwaltet aktuell ein Vermögen von mehr als 190 Milliarden Euro.
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