04.11.2013 18:38:31

Künftige Koalitionäre warten auf Vorlage der Steuerschätzer

   Von Andreas Kißler

   BERLIN--Die Steuerschätzer, die von Dienstag bis Donnerstag in Wilhelmshaven tagen, stehen diesmal besonders im Mittelpunkt des Interesses. Von ihrem Ergebnis wird es auch abhängen, mit welcher Tonalität die weiteren Koalitionsverhandlungen besonders im Bereich Finanzen und Haushalt verlaufen werden.

   Die Meldungen im Vorfeld waren widersprüchlich: Während an einer Stelle von deutlichen Mehreinnahmen die Rede war, hieß es an mehreren anderen, es seien wohl keine entscheidenden zusätzlichen Spielräume zu erwarten. Welche Sichtweise sich durchsetzt, wird von dem konkreten Ergebnis der Schätzer abhängen.

   Wie eigentlich jedes Mal bei dieser Gelegenheit hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schon einmal alle Hoffnungen gedämpft, mit der ins Haus stehenden Steuerschätzung könnten sich zusätzliche Mittel auftun, die man dann nur noch verteilen müsste. Es ist beinahe schon ein Ritual, das der Finanzminister zwei Mal im Jahr völlig unabhängig davon pflegt, wie gut es um die Situation der öffentlichen Einnahmen auch bestellt sein mag: Zu verteilen ist nichts, lautet seine immergleiche Message.

   Auch im Vorfeld der diesjährigen Herbststeuerschätzung ist Schäuble dieser Linie treu geblieben und hat vor überzogenen Erwartungen gewarnt. "Die Steuereinnahmen sprudeln nicht", sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag. Sie stiegen allenfalls wegen einer "ordentlichen wirtschaftlichen Entwicklung". Die Steuerschätzung werde zeigen, "dass wir nicht im Geld schwimmen".

   Der Taktiker Schäuble weiß, diesmal ist die Wiederholung seines Mantras wichtiger denn je. Deshalb dürfte er mit großer Sicherheit auch die von den Steuerschätzern errechneten Zahlen nach deren Veröffentlichung am Donnerstagnachmittag in diesem Sinne kommentieren. Denn die Zahlen und ihre Wertung sind ein unmittelbares Signal an die Koalitionsverhandlungen, bei denen CDU, CSU und SPD in der von Schäuble mitgeleiteten Arbeitsgruppe Finanzen darüber diskutieren, welche Ankündigungen aus den Wahlprogrammen umgesetzt und wie diese finanziert werden sollen.

   Schäubles größte Sorge in diesem Zusammenhang: Den schon beschlossenen Budgetausgleich wieder zu gefährden, den die bisherige Regierung in struktureller Rechnung, also ohne Konjunktur- und Einmaleffekte, 2014 und komplett 2015 plant. Bleibt Schäuble Finanzminister, wäre er dann der erste Amtsinhaber seit Franz-Josef Strauß Ende der 60-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, dem der Budgetausgleich gelänge. Aus Schäubles Umfeld wird man nicht müde zu betonen, wie wichtig ihm dies ist.

   Doch gerade die Verhandlungen über die große Koalition könnten dieses Ziel gefährden. Denn die Ausgabewünsche der Politiker aus den noch laufenden Verhandlungen summieren sich schon auf viele Milliarden Euro, auch wenn die nicht alle nächstes Jahr fällig werden. Bis zu 6 Milliarden Euro werden gebraucht, um den Grundfreibetrag für Kinder schrittweise auf die Höhe des Freibetrags für Erwachsene anzuheben und das Kindergeld zu erhöhen, rund 7 Milliarden Euro für eine Erhöhung von Erwerbsminderungsrenten, schätzungsweise 15 Milliarden Euro, kommt es - wie im Wahlkampf von den potenziellen Koalitionären versprochen - zu einer Lebensleistungsrente oder Solidarrente, und anderes mehr.

   Deshalb kommt es in diesem Jahr besonders auf die Steuerschätzung an. "Es ist utopisch, auf hohe Mehreinnahmen zu hoffen", sagte ein Schätzer dem Wall Street Journal Deutschland bereits. Die Zahlen, die dazu kursierten, reichten von Mehreinnahmen von 1 Milliarde Euro bis zu 8 Milliarden Euro, meist lagen sie aber eher am unteren Ende. Bleibt auch die tatsächliche Schätzung am unteren Ende dieser Spanne, würde dies Schäubles Haltung ebenso stützen wie Forderungen der SPD nach Steuererhöhungen.

   Die sind von den Sozialdemokraten bereits kurz vor der nächsten Koalitionsrunde noch einmal bekräftigt worden. "Wolfgang Schäuble hat Recht: Die finanziellen Spielräume werden auch durch die nächste Steuerschätzung nicht größer", konstatierte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß, der aber gleichzeitig betonte, zwischen Union und SPD bestehe Einvernehmen darüber, dass mehr Geld für Infrastruktur, Bildung und Kommunen notwendig sei.

   "Wolfgang Schäuble und die Union müssen deshalb ihre bisherige Blockade von gezielten Einnahmeverbesserungen aufgeben", forderte Poß und meinte die von der SPD im Wahlprogramm propagierten Steuererhöhungen. Die Koalitionsgespräche würden damit nicht einfacher werden.

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

   (Mitarbeit: Stefan Lange)

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   November 04, 2013 12:06 ET (17:06 GMT)

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