17.07.2022 14:45:39

Italien im Politik-Chaos: Parteien suchen nach Bündnissen

ROM (dpa-AFX) - Italiens Parteien suchen nach dem Rücktrittsangebot von Ministerpräsident Mario Draghi und der Verschärfung der politischen Krise nach Möglichkeiten für eine Fortsetzung der Regierung. "Ich appelliere an die Fünf-Sterne-Bewegung, am Mittwoch mit dem Willen zu einem Neustart dabei zu sein", forderte der Parteichef der mitregierenden Sozialdemokraten, Enrico Letta, am Samstag. Die Fünf-Sterne-Bewegung von Draghis Vorgänger Giuseppe Conte hatte am Donnerstag für einen Eklat in der kleineren Parlamentskammer gesorgt, weil ihre Politiker bei einer Abstimmung fern blieben und damit der Regierung das Vertrauen nicht aussprachen. Draghi reichte danach seinen Rücktritt ein. Staatspräsident Mattarella lehnte das aber ab.

Conte betonte am späten Samstagabend nach einer Sitzung seiner Anti-Establishment-Partei, dass der Boykott kein Nein zur Regierung gewesen sei. Die Populisten wollten stattdessen ein an das Vertrauensvotum gebundenes Hilfspaket nicht mittragen, weil darin unter anderem der Bau einer seit langem von ihnen abgelehnten Müllverbrennungsanlage in Rom vorgesehen ist. Die Regierung gewann auch ohne die Fünf-Sterne-Stimmen das Votum und brachte das Hilfspaket durch. Conte verlangte von Draghi, auf die politischen Forderungen eines Neun-Punkte-Papiers der Partei einzugehen. "Ohne deutliche Antworten ist klar, dass die Fünf-Sterne-Bewegung keine direkte Regierungsverantwortung teilen kann", sagte der 57 Jahre alte Jurist.

Die Bedingungen Contes machen es schwierig für Draghi, mit der bisherigen Parlamentsmehrheit weiter zu regieren. "Wir dürfen der Erpressung derjenigen nicht nachgeben, die das Image Italiens untergraben", erklärte Antonio Tajani von der konservativen Berlusconi-Partei Forza Italia am Sonntag. "Die Fünf Sterne können nicht weiter in der Regierung bleiben."

Kommt es zu keiner Einigung und Draghi hält am Rücktritt fest, drohen Italien vorgezogene Wahlen. Eigentlich stünden die erst im Frühjahr 2023 an. Außenminister Luigi Di Maio befürchtet im Fall von Neuwahlen ein Scheitern wichtiger Reformen und den Verlust von Geldern für Italien. "Auch wenn Ende September gewählt würde, bräuchte es drei Wochen, um die Parlamentskammern und mindestens weitere zwei Wochen um die Regierung zu bilden", warnte er im Interview der Zeitung "La Stampa" (Sonntag).

Laut Di Maio könnte das Land in der Zeit der Regierungsbildung keine Gesetze und den Haushalt auf den Weg bringen. Auch die wichtigen EU-Milliarden für den Corona-Wiederaufbaufonds stünden auf der Kippe. Italien muss dafür nämlich zunächst vorgegebene Ziele in Form von Reformen umsetzen. Di Maio war einst selbst Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, verließ sie aber unlängst mit Unterstützern im Streit, was die Bewegung in eine Krise stürzte - neben den niedrigen Umfragewerten.

Italien wartet nun gespannt auf Mittwoch, wenn Mario Draghi im Senat Bericht über die Situation erstattet. Hält er am Rücktritt fest, könnte Mattarella das Parlament auflösen und damit vorgezogene Wahlen einläuten. Bislang ist unklar, wie sich der frühere Chef der Europäischen Zentralbank entscheiden wird. Am Montag fliegt er zunächst noch für ein Regierungstreffen nach Algerien, einem wichtigen Partner Italiens für Gas-Lieferungen.

/jon/DP/he

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