14.01.2008 07:12:00

HINTERGRUND: Warum Konjunkturprognosen oft daneben liegen

        FRANKFURT (dpa-AFX) - Bei der Wirtschaft ist es wie mit dem Wetter: manchmal stimmen die Vorhersagen, manchmal auch nicht. Das sagen Kritiker und nennen die Prognosen von Volkswirten auch gerne Kaffeesatzleserei. Für 2008 gilt es als besonders schwierig, die Entwicklung der deutschen Wirtschaft vorherzusagen. Eine ganze Reihe von Unwägbarkeiten erschwert den Ökonomen die Arbeit. Die große Unbekannte ist die US-Konjunktur, die infolge der Immobilienkrise in eine Rezession schlittern könnte - oder auch nicht. Das würde möglicherweise Kratzspuren in Deutschland hinterlassen. Vollkommen unsicher ist auch die Entwicklung des Ölpreis und des Dollars - deren Vorhersage gleicht einem Blick in die Glaskugel.     "Eigentlich sollte man gar keine Prognosen erstellen", schreibt Volkswirt Stefan Schneider von der Deutschen Bank. "Wie selten zuvor hängt alles von den täglichen Ausschlägen beim Dollar und Ölpreis ab." Und an deren Vorhersage seien Volkswirte schon immer gescheitert. Schon geringe Konjunkturschwankungen, politische Krisen in den Förderländern oder Spekulationskäufe wirken sich auf die Fieberkurve des Ölpreises aus.

 

AUSSERGEWÖHNLICHE EREIGNISSE ERSCHWEREN PROGNOSEN

 

    Wenn das Statistische Bundesamt an diesem Dienstag (15.) die Zahlen für 2007 bekannt gibt, wird sich die Frage nach der Zuverlässigkeit von Prognosen wieder stellen. Das Wachstum hat voraussichtlich mit rund 2,5 Prozent rund einen Prozentpunkt höher gelegen als zu Jahresbeginn vorhergesagt. Für 2008 liegt die Spanne der Prognosen zwischen 1,4 und 2,2 Prozent.

 

    Außergewöhnliche Ereignisse machen den Volkswirten das Leben schwer. So weiß niemand, wie sehr die weltweite Finanzmarktkrise die Wirtschaft bremsen wird. "Modelle können nur auf den Erfahrungen der Vergangenheit basieren", sagt Prof. Ulrich Fritsche vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). "Für die Auswirkungen der Kreditkrise gibt es wenig historische Vergleichsmöglichkeiten, das macht die Sache schwierig."

 

STÄRKE DES AUFSCHWUNGS VERKANNT

 

    Schon 2007 lagen viele Experten aus diesem Grund daneben: Von Monat zu Monat korrigierten die Experten ihre pessimistischen Prognosen nach oben. Die Anhebung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte auf 19 Prozent war in der Bundesrepublik historisch einmalig und deshalb schwer zu bewerten.

 

    "Viele Volkswirte haben im vergangenen Jahr die Stärke des Aufschwungs verkannt", sagt Steffen Osterloh vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), der eine Studie über die Aussagekraft von Prognosen erstellt hat. "An jedem Ereignis, das es noch nie gegeben hat, beißen sich die Volkswirte die Zähne aus." Selbst aus Reihen des Sachverständigenrates ("Wirtschaftsweise"), der die Bundesregierung berät, heißt es heute: "Man hat den Konsumeinbruch infolge der Mehrwertsteuererhöhung überschätzt."

 

ZEITPUNKTE UND DATEN-REVIDIERUNGEN ALS GRÜNDE

 

    Es könnte auch einfach am Zeitpunkt liegen. Die meisten Prognosen werden bereits im Herbst des Vorjahres erstellt. Zu diesem frühen Zeitpunkt fehlen viele Daten und müssen geschätzt werden. Zudem hat das Statistische Bundesamt seine Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt zwischenzeitlich mehrfach revidiert. Dadurch wurde die statistische Ausgangsbasis besser als gedacht.

 

    Laut ZEW-Studie haben Ökonomen in den vergangenen Jahren vor allem für Länder mit konjunkturellen Schwächephasen das Wachstum unterschätzt, so zum Beispiel in Deutschland, Italien und Frankreich. Unterschätzt wurden auch die positiven Auswirkungen der Arbeitsmarktreformen, der Sanierung der Unternehmen und der gestiegenen Nachfrage aus anderen Regionen der Welt, insbesondere den Erdölländern nach deutschen Exportgütern. "Es ist sehr schwer zu bewerten, wie robust die neue deutsche Wirtschaft ist", sagt der Deutschland-Chefvolkswirt der UniCredit, Andreas Rees. "Wenn es in den letzten 20 Jahren in den USA gekracht hat, dann gab es danach eine Krise in Deutschland. Das ist jetzt anders und das erschwert das Prognosegeschäft erheblich."

 

    Die Fachwelt streitet darüber, welche Modelle und Berechnungsmethoden die besten sind. Aber letztlich gilt: "Für eine gute Prognose ist eine gute Nase und ein gutes Händchen notwendig - also gesunder Menschenverstand", sagt Prof. Fritsche./mt/DP/bf

 

    --- Von Marion Trimborn, dpa ---

 

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