05.06.2008 15:10:00
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HINTERGRUND: Neues Zertifikate-Rating soll für mehr Durchblick sorgen
Gemeinsames Ziel aller drei Rating-Unternehmen ist es, die Anlageklasse der Zertifikate einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Ihre Ansätze unterscheiden sich jedoch wesentlich. Während etwa Scope viele Massenprodukte bewertet und FWW sich als Nischenanbieter sieht, möchten die EDG-Experten die gesamte Breite des Zertifikatemarktes abdecken. Zudem konzentrieren sich Scope und auch die EDG auf bereits gehandelte Zertifikate, wohingegen FWW lediglich Neuemissionen untersucht.
ANBIETER LOBEN DEN NEUEN RATING-ANSATZ
Zertifikate-Emittenten äußerten sich indes optimistisch zum Rating der European Derivatives Group (EDG). "Wenn das neue Rating gut ist, kann es sich durchaus zum Branchenstandard entwickeln", sagte Heiko Weyand, Zertifikate-Spezialist von HSBC Trinkaus & Burkhardt. Da der Markt bereits den Kinderschuhen entwachsen sei, hält er nun verständliche und sinnvolle Instrumente für nötig, die für mehr Transparenz und Professionalität sorgen sollen.
Jörg Kukies, Leiter der Zertifikateabteilung von Goldman Sachs, sprach vom "mit Abstand informativsten Bewertungsansatz", den die Branche derzeit anzubieten habe. "Aus wissenschaftlicher Sicht geht kein Rating so weit in die Tiefe wie das von EDG", kommentierte der Experte. Insbesondere überzeuge ihn, dass jedes Produkt gemäß der individuellen Risikopräferenz eines Investors beurteilt werde. Damit trage das EDG-Rating der Tatsache Rechnung, dass die Zertifikate-Branche sehr differenzierte Risikoprofile bedient.
KOMBINATION VON QUALTÄTSBEWERTUNG UND RISIKOBEREITSCHAFT
Zunächst jedoch führt die European Derivatives Group eine Qualitätsbewertung anhand der Kriterien Kosten, Handel (Liquidität), Informationsbereitstellung und Bonität durch. Erst im zweiten Schritt wird dann ermittelt, wie das Produkt zur persönlichen Risikoneigung des Investors passt ("Risiko-Fit"). Dazu unterstellen die Experten fünf Anlegertypen von sicherheitsorientiert bis spekulativ. Qualitätsbewertung und Risiko-Fit gehen dann gleichgewichtet in eine Gesamtnote ein. Vergeben werden am Ende Sterne: Fünf davon stehen für "sehr gut", wohingegen null Sterne bedeuten, dass das Zertifikat für den Anleger nicht geeignet ist.
Im Vergleich dazu basiert das Rating der Berliner Firma Scope vor allem auf einem quantitativen Modell, mit dem das Chance-Risiko-Verhältnis von Zertifikaten beurteilt werden soll. Unter dem Strich schneiden die Papiere hier am besten ab, die bei geringem Risiko hohe Chancen aufweisen. Entsprechend skeptisch beurteilt werden relativ riskante Zertifikate, die lediglich geringe Ertragschancen bieten.
Das Rating von FWW gibt ein qualitatives Urteil in Form einer Schulnote von 1 bis 5 ab, die auf den drei Bewertungskriterien "Konzeption", "Kosten" und "Anlegerkommunikation" basiert. Im Unterschied dazu macht die EDG keine Aussage darüber, ob die Auszahlungsstruktur eines Zertifikates gut oder schlecht ist. Das Urteil darüber und über die Eignung des Basiswertes, auf das sich das Zertifikat bezieht, bleibt dem Anleger vorbehalten.
GERINGE VERGLEICHBARKEIT MIT FONDS-RATINGS
Ob die verschiedenen Rating-Ansätze bereits in nächster Zukunft einen Beitrag zur besseren Vergleichbarkeit der Zertifikate untereinander liefern, bleibt abzuwarten. So zog etwa Professor Thomas Hartmann-Wendels vom Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre in Köln eine Parallele zum Fondsmarkt und wies darauf hin, dass Ratingagenturen wie Standard & Poor’s sich erst nach Jahren das Vertrauen der Anleger gesichert hätten.
Lutz Johannig, Inhaber des Lehrstuhls für empirische Kapitalmarktforschung an der Otto Beisheim School of Management (WHU) und maßgeblich verantwortlich für die Entwicklung des neuen EDG-Bewertungssystems, räumte denn auch ein, dass sich die Ratings für diese strukturierten Produkte bis auf weiteres wohl kaum so leicht miteinander vergleichen lassen, wie dies momentan bei den Investmentfonds-Ratings der Fall sei. Grund seien unter anderem die unterschiedlichen Ziele der Zertifikateanleger. Während sicherheitsorientierte Investoren Zertifikate insbesondere zum Vermögensaufbau nutzten, interessierten sich spekulativ orientierte Anleger vor allem für hohe Gewinnchancen.
Thomas Bieler, Finanzexperte von der Verbraucherzentrale NRW, rät in diesem Zusammenhang, bei Zertifikate-Ratings vor allem darauf zu achten, dass die Kosten der strukturierten Produkte kritisch unter die Lupe genommen werden. Schließlich bestehe die Gefahr, dass die Emittenten vor allem komplizierte Produktstrukturen dazu nutzen könnten, Gebühren zu verstecken. Generell rät er Anlegern, nur in die Produkte zu investieren, die sie auch verstünden./la/gl/wiz
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