21.09.2007 08:12:00
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HINTERGRUND: Das große Nachmachen - Nur Wissensvorsprung hilft gegen Plagiate
Sein Schlüsselerlebnis in Sachen Produktpiraterie hatte Jens Wunderlich auf der CIMT-Messe 2005 in Peking. Der Exportleiter des mittelständischen Walzmaschinenherstellers Profiroll aus Bad Düben (Sachsen) schlenderte an den Ständen vorbei, als ihm plötzlich etwas seltsam bekannt vorkam: Vor ihm stand - groß wie ein Auto - der Nachbau einer Profiroll-Maschine, mit der Teile für PKW-Getriebe hergestellt werden. "Von 2001 bis 2003 haben wir 30 Anlagen dieser Art nach China geliefert", sagt Wunderlich. Nur zwei Jahre später stand er dann in China vor dem verblüffend ähnlichen Nachbau. "Als wir den Hersteller zur Rede stellten, gab es nur ein Lächeln."
Wunderlich ist mit seinen Erfahrungen nicht alleine: Mehr als die Hälfte aller Firmen werden während Messen auf Plagiate aufmerksam. Das geht aus einer Umfrage hervor, die der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) dieses Jahr in Auftrag gab. "Zwei Drittel der Befragten sind von Produktpiraterie betroffen", erklärt VDMA-Jurist Marc Wiesner. 2003 sei es noch die Hälfte gewesen. "Die gesamte Branche ist gefährdet. Von der kleinsten Komponente bis zur größten Anlage", sagt Wiesner. Allerdings ginge der Trend heute eher dahin, gleich ganze Maschinen nachzubauen. Asien sei Schwerpunkt der Piraterie. "Aber dort verblasst alles gegenüber China."
Die Unternehmen berichteten von Umsatzeinbußen bis hin zu 20 Prozent. "Wir schätzen den jährlichen Schaden für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau auf fünf Milliarden Euro jährlich", erklärt Wiesner. "Die Dunkelziffer ist viel höher", heißt es beim Berliner Aktionskreis Deutsche Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie.
Dabei stehen die Chancen, gegen Plagiate vorzugehen, gar nicht schlecht. "In der Praxis läuft das besser, als viele denken", meint Rechtsanwalt Horst Suhren aus Hannover. Die Rechtslage in China sei inzwischen auf internationalem Standard, sagt der Wirtschaftsrecht- Experte. "In den Unternehmen herrscht aber ein Informationsdefizit, was präventiv und restriktiv unternommen werden kann."
In der Branche regiert die Unsicherheit. "Patentverletzungen zu verfolgen, kostet Zeit und Geld", sagt EMO-Aussteller Lothar Horn, Chef der Hartmetall-Werkzeugfabrik Paul Horn aus Tübingen. "Es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Was wir bringen, bringen die später auch." Hinter den Fälschungen stecke ein ganzer Wirtschaftszweig. "Wir müssen uns auf Messen von den Asiaten manchmal anhören "Wir schauen uns bei euch mal um, was wir demnächst neues herausbringen"."
Panik ist dennoch nicht zu verzeichnen. Die Werkzeugmaschinenbauer halten die Weltgeltung deutscher Wertarbeit als Ass im Ärmel. Kunden, die sich bewusst für eine günstigere Nachahmung entschieden, kehrten schnell zurück. "Der vermeintliche Mehrpreis für unsere Produkte ergibt sich aus Forschung, Entwicklung und Service", sagt Fabrikant Lothar Horn. Der Wissensvorsprung, der in Produkte einfließe, könne nicht eins zu eins nachgebaut werden. Mit diesem Pfund ließe sich wuchern - Gelassenheit sei aber unangebracht. "Nach wenigen Jahren ist auch das Prozess-Know-How eingeholt", sagt Exporteur Wunderlich.
"Auch den möglichen Image-Schaden sollte man nicht unterschätzen", warnt Alfred Graf Zedtwitz vom Fachverband Präzisionswerkzeuge im VDMA. Schließlich wiesen nicht wenige Plagiate auch täuschend echte Firmennamen auf. So falle der Ärger mit Fälschungen unbewusst auf deutsche Firmen zurück - selbst wenn die ihre Unschuld bewiesen.
Dass sich dem großen Nachmachen irgendwann ein Riegel vorschieben lässt, ist unwahrscheinlich. Die Praxis des Kopierens ist in China nämlich gar nicht negativ besetzt. Das chinesische Wort für "lernen" lässt sich mit "lernen", aber auch mit "nachahmen" übersetzen. Da ist die Ehre, in Fernost als Meister des eigenen Fachs kopiert zu werden, für deutsche Firmen ein äußerst schwacher Trost./loh/hn/DP/wiz
--- Von Heiko Lossie, dpa ---
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