03.10.2019 15:38:00
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Grasser-Prozess - Raiffeisenbank-Anwalt beriet Zeugen vor Aussage
Zur Beratung der Zeugen durch einen von der Bank angebotenen Anwalt wurde von Richterin und Staatsanwaltschaft heute ausgiebig nachgefragt. Einer der Angeklagten in der Linzer Causa war selber Manager der Real Treuhand.
Der Anwalt war während den Zeugenaussagen im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts anwesend, und wurde von der Richterin prompt in den Zeugenstand geholt - wo dieser auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht verwies und außer seiner Personalien keine Angaben machte. Zum Abschied meinte der Anwalt im Weggehen zur Richterin: "Wir sehen uns noch", woraufhin die Richterin diesen Satz protokollieren ließ.
Die drei Zeuginnen und ein Zeuge erklärten heute auf Befragung durch die Richterin weitgehend übereinstimmend, dass sie die von ihrem Arbeitgeber angebotene Hilfe des oberösterreichischen Rechtsanwaltes gerne in Anspruch genommen hätten, da für sie die heutige Zeugenaussage ungewöhnlich und belastend sei. Bei dem Treffen sei die Verhandlungssituation im Gerichtssaal durchgespielt worden, zum Beispiel wer wo sitzt. Und die jahrelang zurück liegenden Vernehmungsprotokolle der Zeugen bei den Ermittlungen habe man bekommen und besprochen. Ihr seien auch die Dokumente gezeigt worden, die ihr dann die Richterin vorhielt, so eine Zeugin.
Aufgekommen war die Zeugen-"Beratung" durch einen Zufall. Die erste Zeugin, einstmals Assistentin in der Real Treuhand, erwähnte in einem Nebensatz, dass sie das Protokoll ihrer Zeugenvernehmung im Jahr 2013 nach der Befragung ausgehändigt bekommen hatte. Das wunderte Hohenecker und sie ließ sich das Schriftstück zeigen. Dabei stellte sich heraus, dass es sich um eine Kopie handelte, die die Zeugin von einem Rechtsanwalt ihres damaligen Arbeitgebers Real Treuhand erst gestern erhalten hatte.
Hohenecker merkte an, dass dies nicht das erste Mal sei, dass ein Zeuge vor seiner Aussage in der Hauptverhandlung mit einem Anwalt gesprochen habe. Vor drei Wochen war bekannt geworden, dass Grasser-Anwalt Norbert Wess mit dem Zeugen Heinrich Traumüller Kontakt hatte. Wess betonte damals, der Kontakt von Verteidigern mit Zeugen sei nicht strafbar, solange sie nicht die Aussagen der Zeugen beeinflussten.
Thematisch ging es heute um die Vorgänge in der Real Treuhand bei der Verbuchung einer 200.000 Euro-Rechnung der Porr Solutions an die Errichtergesellschaft des Linzer Büroturms Terminal Tower. Hier gibt es zwei Auffälligkeiten: Von einem Sitzungsprotokoll gibt es zwei Varianten, in einer ist ein Verweis auf eine 200.00 Euro-Forderung der Porr enthalten, in einer anderen nicht. Und am Rechnungsdeckblatt für die Rechnung der Porr Solutions, die laut Rechnungstext 200.000 Euro für die "Unterstützung der Strukturierung der Projektfinanzierung" erhalten hatte, steht in der Kopfzeil "Rg. Porr/Vereinbarung Astropolis". Diese Kopfzeile entspreche dem Speicherort der Rechnung, also unter welchem Namen die Rechnung in der EDV abgespeichert wurde, so die letzte Zeugin des heutigen Tages. Sie selber habe es nicht eingetragen, und die Zeugin vor ihr sagte aus, dass sie damals Lehrling war und das nicht selber anlegen durfte. Ob der Angeklagte frühere Manager der Real Treuhand das eingetragen habe, das wisse sie nicht.
Die Astropolis ist die zypriotische Briefkastenfirma des Angeklagten Peter Hochegger, über die jene 200.000 Euro-Zahlung des Angeklagten Walter Meischberger verbucht wurde, die die Anklage als Bestechungsgeld für Grasser sieht. Der Hauptangeklagte Grasser habe als Gegenleistung für die Bestechungszahlung sein Okay zur Einmietung der Linzer Finanzbehörden in den Terminal Tower gegeben, was die Angeklagten bestreiten.
Der Prozess geht nächsten Dienstag mit weiteren Zeugenbefragungen weiter.
(Schluss) stf/gru/pro
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