13.12.2020 16:49:38

GESAMT-ROUNDUP: Corona-Welle rollt - Deutschland geht in harten Lockdown

BERLIN (dpa-AFX) - Zum Eindämmen der sich weiter stark ausbreitenden Corona-Pandemie wird das öffentliche und private Leben in Deutschland zum zweiten Mal in diesem Jahr drastisch heruntergefahren. Von diesem Mittwoch (16.) an und bis zum 10. Januar muss der Einzelhandel mit Ausnahme der Geschäfte für den täglichen Bedarf schließen. Das haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder am Sonntag beschlossen. In diesem Zeitraum sollen auch Schulen grundsätzlich geschlossen oder die Präsenzpflicht ausgesetzt werden. Lockerungen der strengen Kontaktbeschränkungen gibt es zu Weihnachten für Feiern im engsten Familienkreis, nicht aber zum Jahreswechsel.

Die scharfen Einschnitte sind die Folge der sich seit Wochen verschärfenden Pandemielage. Am Sonntagmorgen meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 20 200 neue Corona-Infektionen und 321 neue Todesfälle. Am Sonntag vor einer Woche waren es noch 17 767 neue Fälle und 255 Todesfälle gewesen. Am vergangenen Freitag war der bisherige Höchststand der Neuinfektionen (29 875) und Todesfälle (598) erreicht worden. Merkel ging davon aus, dass die Zahlen zunächst noch steigen werden.

Der seit Anfang November geltende Teil-Lockdown habe "nicht gereicht", sagte Merkel in Berlin nach den Beratungen von Bund und Ländern. Das exponentielle Wachstum der Corona-Neuinfektionen habe eine Zeit lang gestoppt werden können. Dann sei aber eine "Seitwärtsbewegung" eingetreten, und seit einigen Tagen gebe es wieder ein exponentielles Wachstum. "Wir sind zum Handeln gezwungen und handeln jetzt auch", sagte die Bundeskanzlerin.

"Corona ist außer Kontrolle geraten", warnte Bayerns Regierungschef Markus Söder. "Die Lage ist eigentlich wieder 5 vor 12. Deswegen wollen wir keine halben Sachen mehr machen, sondern konsequent handeln", betonte der CSU-Vorsitzende. Nun gelte: "Ab Mittwoch richtiger Lockdown in Deutschland, für alle, konsequent und auch klar verständlich und anwendbar." Dieser sei bis zum 10. Januar geplant, müsse aber so lange wie nötig andauern. "Die Philosophie heißt: daheim bleiben!", sagte Söder mit Blick auf die kommenden Wochen.

Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet schloss eine Verlängerung der harten Corona-Auflagen über den 10. Januar hinweg nicht aus. Wenn erforderlich, werde es auch danach weitere Maßnahmen geben, sagte der CDU-Politiker in Düsseldorf. Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) betonte, es seien weiter "Dinge möglich", etwa an Weihnachten. "Aber man muss auch nicht alles machen, was möglich ist."

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) machte deutlich, dass der Bund mit erweiterten Corona-Finanzhilfen Firmen und Jobs schützen will. Es gehe um Existenzen. Der Vizekanzler sprach von einer umfassenden Unterstützung. Die zusätzlichen Hilfen hätten einen Umfang von rund 11 Milliarden Euro pro Monat.

Die Beschlüsse von Bund und Ländern im Einzelnen:

EINZELHANDEL: Der Einzelhandel wird vom 16. Dezember bis zum 10. Januar geschlossen. Ausnahmen gelten für: Geschäfte für Lebensmittel, Wochenmärkte für Lebensmittel, Direktvermarkter von Lebensmitteln, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz- und Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Poststellen, Reinigungen, Waschsalons, den Zeitungsverkauf, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte, den Weihnachtsbaumverkauf und den Großhandel.

DIENSTLEISTUNGEN: Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie Friseursalons, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe werden ebenfalls geschlossen. Medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Physio-, Ergo- und Logotherapien sowie Podologie/Fußpflege, bleiben möglich.

FINANZHILFEN: Der Bund erweitert die Corona-Finanzhilfen für Unternehmen. Bei der Überbrückungshilfe III, die ab Januar gilt, soll der Höchstbetrag von 200 000 auf 500 000 Euro erhöht werden. Der maximale Zuschuss ist demnach geplant für direkt und indirekt von Schließungen betroffene Unternehmen. Erstattet werden betriebliche Fixkosten. Für die von der Schließung betroffenen Unternehmen soll es Abschlagszahlungen ähnlich wie bei den November- und Dezemberhilfen geben. Auch Entlastungen für den Einzelhandel sind vorgesehen.

KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN: Weiterhin dürfen sich nur maximal fünf Verwandte, Freunde oder Bekannte aus höchstens zwei Hausständen privat treffen. Kinder bis 14 Jahre sind ausgeschlossen.

WEIHNACHTEN: Die Länder werden - abhängig vom jeweiligen Infektionsgeschehen - von dieser Beschränkung für die Zeit vom 24. bis 26. Dezember Ausnahmen zulassen und Feiern im "engsten Familienkreis" ermöglichen, auch wenn dies mehr als zwei Hausstände oder fünf Personen über 14 Jahren bedeutet. Der engste Familienkreis wird definiert als Ehegatten, Lebenspartner und Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sowie Verwandte in gerader Linie, Geschwister, Geschwisterkinder und deren jeweilige Haushaltsangehörige.

SILVESTER: Am Silvester- und am Neujahrstag gilt bundesweit ein An- und Versammlungsverbot. Der Verkauf von Pyrotechnik wird generell verboten, vom Zünden von Silvesterfeuerwerk wird generell dringend abgeraten. Zudem gilt ein Feuerwerksverbot auf publikumsträchtigen Plätzen, die die Kommunen definieren sollen.

SCHULEN: Auch an den Schulen sollen vom 16. Dezember bis 10. Januar Kontakte deutlich eingeschränkt werden. Daher werden in diesem Zeitraum Schulen grundsätzlich geschlossen, oder die Präsenzpflicht wird ausgesetzt. Eine Notfallbetreuung wird sichergestellt und Distanzlernen angeboten. Für Abschlussklassen können gesonderte Regelungen vorgesehen werden. In Kindertagesstätten wird ebenso verfahren.

GASTRONOMIE: Das Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit wird vom 16. Dezember bis 10. Januar verboten. Verstöße werden mit einem Bußgeld belegt. Die Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause durch Gastronomiebetriebe sowie der Betrieb von Kantinen bleiben möglich. Der Verzehr vor Ort wird untersagt.

GOTTESDIENSTE: Gottesdienste in Kirchen, Synagogen und Moscheen sowie die Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften sind nur erlaubt, wenn ein Mindestabstand von 1,5 Metern gewahrt und eine Maskenpflicht auch am Platz eingehalten wird. Den Besuchern ist Gesang untersagt. Bei Zusammenkünften, in der Besucherzahlen erwartet werden, die zu einer Auslastung der Kapazitäten führen könnten, ist eine Anmeldungserfordernis einzuführen.

SPORT: Der Profisport wird im Beschluss von Bund und Ländern nicht extra erwähnt. Anders als beim ersten harten Corona-Lockdown im Frühjahr kann er seine Wettbewerbe diesmal also zunächst fortsetzen.

Einige dieser Beschlüsse gelten bereits in manchen Bundesländern, nun treten sie bundesweit in Kraft.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner forderte "eine dauerhaft durchhaltbare Strategie" in der Pandemie-Bekämpfung: "Unsere Sorge ist, dass wir uns sonst von einem Lockdown zum nächsten hangeln." Im Mittelpunkt einer solchen Strategie müsse der wirkliche Schutz der besonders betroffenen Risikogruppen stehen.

Der Einzelhandelsverband HDE verlangte mehr Finanzhilfen für betroffene Unternehmen. "Die bisher vorgesehenen Gelder reichen bei weitem nicht aus, um eine Pleitewelle in den Innenstädten zu verhindern", kritisiert der HDE. Der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) forderte einen vollen Ausgleich für die drohenden Umsatzverluste im dreistelligen Millionenbereich.

Die Bildungsgewerkschaften begrüßten die weitgehenden Schul- und Kita-Beschlüsse. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sprach von einer harten, aber richtigen Entscheidung. Zustimmung kam auch vom Deutschen Städtetag. "Der harte Lockdown ist schmerzhaft, aber die Städte unterstützen ihn", sagte Präsident Burkhard Jung den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Ähnlich reagierte das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). "Ich bin sehr zufrieden mit den Beschlüssen", sagte sein Vorsitzender Thomas Sternberg der Deutschen Presse-Agentur. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) setzt angesichts der Corona-Regeln zu Weihnachten auch wieder auf Online-Angebote für die Gläubigen./sk/DP/nas

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