25.02.2022 18:38:38
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GESAMT-ROUNDUP 3: Russische Angriffe auf Kiew - Kreml bietet Verhandlungen an
(Neu: Details und Entwicklung)
KIEW/MOSKAU (dpa-AFX) - Die russische Armee ist bei ihrem Angriffskrieg auf die Ukraine bis in die Hauptstadt Kiew vorgedrungen. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba berichtete von "schrecklichen russischen Raketenangriffen" auf die Millionenstadt. Russland machte der Ukraine am Freitag laut Kreml ein Angebot für mögliche Friedensverhandlungen in der belarussischen Hauptstadt Minsk.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte dem russischen Staatschef Wladimir Putin zuvor zwei Mal ein Treffen angeboten. Moskau habe den Vorschlag zu Verhandlungen über einen neutralen Status der Ukraine als Schritt in die richtige Richtung aufgenommen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitagnachmittag.
Russland hatte nach monatelangem Truppenaufmarsch an den Grenzen zur Ukraine am Donnerstag eine Offensive gestartet. Seit Beginn der großangelegten Invasion wurden auf ukrainischer Seite nach offiziellen Angaben mehr als 130 Soldaten getötet. Der Einmarsch löste weltweit Wut und Bestürzung aus. Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten trafen sich am Freitag zu einem Sondergipfel.
Während Panzer in die ehemalige Sowjetrepublik vorstießen, gab es Luftangriffe im ganzen Land. In mehreren großen Städten, darunter Kiew, flüchteten die Menschen zum Schutz auch in U-Bahnhöfe. Ukrainische Truppen rückten in Kiew ein, um die Hauptstadt zu verteidigen. In der Metropole heulten mehrfach die Sirenen, wie ein Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur berichtete.
In der Region Kiew wurden nach offiziellen Angaben vier Menschen bei einem Luftangriff getötet und 15 verletzt. Auf Videos in den sozialen Netzwerken sind Kämpfe in einem Wohnviertel im Norden von Kiew zu sehen. Die Bilder zeigen unter anderem, wie ein Panzer ein Auto überrollt, dessen Insasse anschließend gerettet wird. Aus Charkiw im Osten des Landes berichteten Medien und Anwohner von Explosionen.
Präsident Selenskyj sagte, in der ukrainischen Armee seien am ersten Tag der Invasion 137 Soldaten getötet und 316 Soldaten verletzt worden. Die Russen machten entgegen ihrer Zusicherung keinen Unterschied zwischen militärischen Zielen und Wohnhäusern, sagte er. Zugleich hielt er dem Westen mangelnde Unterstützung vor: "Wir verteidigen unseren Staat allein. Die mächtigsten Kräfte der Welt schauen aus der Ferne zu."
Nach ukrainischen Angaben erlitten die russischen Truppen ihrerseits schwere Verluste. Bisher hätten die einrückenden Truppen 2800 Soldaten "verloren", teilte das Verteidigungsministerium in Kiew am Freitagnachmittag mit. Dabei war unklar, ob es sich um getötete, verwundete oder gefangene Soldaten handeln soll. Russland setzte nach eigenen Angaben 118 ukrainische Militärobjekte "außer Gefecht" und schoss fünf ukrainische Kampfflugzeuge und einen Hubschrauber ab. Alle Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Einem russischen Militärsprecher zufolge eroberten die Russen das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl, knapp 70 Kilometer von Kiew entfernt. Spezialisten eines ukrainischen Wachbataillons seien aber nach Absprache weiter im Einsatz. Es gebe keine Auffälligkeiten, die radioaktiven Werte seien normal. Hingegen teilte die zuständige ukrainische Behörde mit, sie messe deutlich erhöhte Strahlenwerte.
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind in der Ukraine schon 100 000 Menschen auf der Flucht. Die UN rechnen mit bis zu vier Millionen Flüchtlingen, sollte sich die Situation weiter verschlechtern. Laut Flüchtlingshilfswerk UNHCR flohen bereits Tausende in Nachbarländer. Die Ukraine hat etwa 42 Millionen Einwohner.
Rund um den Globus gingen Demonstranten aus Solidarität auf die Straße. Gebäude und Monumente wurden in den blau-gelben Farben der ukrainischen Flagge beleuchtet. In Deutschland sind für das Wochenende Kundgebungen in mehreren Städten angekündigt, unter anderem in Berlin. Auch in Russland gab es zahlreiche Proteste. Dabei wurden Bürgerrechtlern zufolge mehr als 1700 Menschen festgenommen.
Die EU und die USA belegten Russland mit verschärften Sanktionen, verzichteten aber noch auf härteste Strafmaßnahmen. Die EU setzte auch Putin persönlich und Außenminister Sergej Lawrow auf ihre Sanktionsliste. Strafmaßnahmen der EU gibt es auch mit Blick auf Energie, Finanzen und Transport. Zudem soll es Exportkontrollen für bestimmte Produkte sowie Einschränkungen bei der Visavergabe geben.
Der Kreml verteidigte seinen Militäreinsatz gegen weltweite Kritik. Außenminister Lawrow sagte, der Zweck des Einsatzes sei eine "Entmilitarisierung und Entnazifizierung" und fügte an: "Niemand wird die Ukraine besetzen." Der Kreml behauptet seit Jahren, 2014 hätten aus dem Ausland gesteuerte "Faschisten" in Kiew einen Staatsstreich herbeigeführt.
Russlands Präsident Wladimir Putin rief die ukrainische Armee zum Kampf gegen die Regierung auf. "Nehmt die Macht in Eure eigenen Hände! Es dürfte für uns leichter sein, uns mit Ihnen zu einigen, als mit dieser Bande von Drogenabhängigen und Neonazis, die sich in Kiew niedergelassen hat und das gesamte ukrainische Volk als Geisel genommen hat", sagte Putin. Er lobte das Vorgehen der russischen Armee.
Die Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten besprachen am Freitag, wie die Nato auf die veränderte Sicherheitslage reagieren muss. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg rief Russland zu einem Ende des Militäreinsatzes auf. "Moskau trägt die alleinige Verantwortung für die vorsätzliche, kaltblütige und von langer Hand geplante Invasion", erklärte er.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) prangerte den Angriff als eklatanten Bruch des Völkerrechts an. Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einer "tiefgreifenden Zäsur in der Geschichte Europas nach dem Ende des Kalten Krieges". Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier appellierte an Putin: "Stoppen Sie den Wahnsinn dieses Krieges. Jetzt!" Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda rief dazu auf, Russland politisch zu isolieren. "Der Aggressor hat keinen Platz in der G20 und im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen", erklärte er.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte nach einem Krisengipfel in Brüssel: "Unsere Einigkeit ist unsere Stärke." Mehrere Staats- und Regierungschefs forderten aber härtere Strafen, auch mit Blick auf das Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift. Ein Swift-Ausschluss hätte zur Folge, dass russische Institute quasi vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen würden. Scholz wandte sich jedoch dagegen, dieses Sanktionsinstrument jetzt schon einzusetzen.
Außenministerin Annalena Baerbock verteidigte die deutsche Zurückhaltung dabei. Eine Entkopplung Russlands vom Swift-System wirke in die Breite - jene, die für das Blutvergießen verantwortlich seien, würden dennoch Wege für ihre Finanztransaktionen finden, sagte die Grünen-Politikerin am Freitag.
Der Europarat suspendierte unterdessen in einem historischen Schritt Russlands Mitgliedschaft in Folge des Angriffs auf die Ukraine. Russland bleibt dennoch formell Mitglied des Europarats, der gemeinsam mit seinem Gerichtshof für die Wahrung der Menschenrechte in den 47 Mitgliedstaaten zuständig ist./toz/DP/ngu
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