31.05.2022 20:31:38
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GESAMT-ROUNDUP 2: Wichtige Stadt Sjewjerodonezk umkämpft - EU-Kompromiss zu Öl
(aktualisierte Fassung)
KIEW/BRÜSSEL/DEN HAAG (dpa-AFX) - Im Osten der Ukraine rücken russische Truppen in der strategisch wichtigen Stadt Sjewjerodonezk im Gebiet Luhansk vor. Nach ukrainischen Angaben haben sie die Hälfte der Stadt eingenommen. Nach fast 100 Tagen Krieg ermittelt die Ukraine inzwischen in mehr als 15 000 Fällen wegen Kriegsverbrechen. Die Europäische Union will die Sanktionen gegen Moskau nochmals verschärfen. Die Einfuhr von russischem Öl soll in weiten Teilen verboten werden, ein zusätzlicher Boykott von Gas ist aber nicht in Sicht.
Weil Luhansk seit 2014 von prorussischen Separatisten kontrolliert wird, liegt das Verwaltungszentrum der ukrainischen Region heute in Sjewjerodonezk. Die Frontlinie verlaufe in der Mitte, sagte der Chef der lokalen Militärverwaltung, Olexandr Strjuk, am Dienstag. Die Kämpfe seien weiter in Gang. Die Stadt ist die letzte Bastion im Gebiet Luhansk unter ukrainischer Kontrolle. Fällt sie, haben die Militärführung in Moskau und die prorussischen Separatisten ein für sie wichtiges Etappenziel des Krieges erreicht: die vollständige Kontrolle über das Gebiet Luhansk.
Einstige Großstadt Sjewjerodonezk fast entvölkert
Im Ballungsraum Sjewjerodonezk-Lyssytschansk lebten vor dem Krieg 380 000 Menschen. Inzwischen ist vor allem Sjewjerodonezk entvölkert: Von einst 100 000 Einwohnern halten sich Strjuk zufolge noch 12 000 dort auf. Seit Beginn des russischen Beschusses seien etwa 1500 Menschen in der Stadt getötet wurden, sagte er. Nach ukrainischen Angaben sind dort mehr als zwei Drittel der Wohnhäuser zerstört.
Internationale Helfer sorgen sich um verbliebene Zivilisten in der Stadt. "Wir können im Granatenhagel keine Leben retten", sagte der Generalsekretär der Hilfsorganisation Norwegian Refugee Council, Jan Egeland. Er forderte Zugang, um helfen zu können.
Ukraine ermittelt in Tausenden Fällen von Kriegsverbrechen
Den Angriff auf das Nachbarland hatte Moskau am 24. Februar begonnen. Die ukrainische Staatsanwaltschaft hat nach eigenen Angaben in mehr als 15 000 Fällen von Kriegsverbrechen eingeleitet. 80 Verdächtige seien in Gewahrsam, teilte Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa in Den Haag mit. Mehr als 600 Verdächtige - darunter hochrangige russische Politiker und Offiziere - seien im Visier der Justiz. Täglich kämen 200 bis 300 neue Fälle hinzu.
In Den Haag berieten Ankläger der Ukraine, Polens, Litauens und des Internationalen Strafgerichtshofes über den Stand der Ermittlungen. Sie gehören einem gemeinsamen Ermittlerteam an. Auch Lettland, Estland und Slowakei sind nun mit von der Partie. Die EU-Justizbehörde Eurojust koordiniert die Arbeit.
In der Ukraine wurden zwei gefangen genommene russische Soldaten wegen Kriegsverbrechen zu langen Haftstrafen verurteilt. Ein Gericht im Gebiet Poltawa verhängte jeweils elfeinhalb Jahre Gefängnis, wie das Online-Portal "Ukrajinska Prawda" berichtete. Die beiden Soldaten hätten zivile Gebäude beschossen.
Teil-Öl-Embargo der EU kommt - Erdgas aus Russland fließt weiter
Die Europäische Union verständigte sich auf ein sechstes Sanktionspaket gegen Russland. Dazu gehört ein Kompromiss auf ein Öl-Embargo. Auf Druck Ungarns werden aber nur russische Öl-Lieferungen über den Seeweg unterbunden. Transporte per Pipeline bleiben möglich. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zufolge werden die Öl-Importe aus Russland bis Jahresende um 90 Prozent reduziert. Grund dafür ist, dass neben Deutschland auch Polen nicht von der Ausnahme für Pipeline-Öl profitieren will.
Ein Gas-Embargo zeichnet sich hingegen nicht ab. Dies sei für ein nächstes Sanktionspaket gegen Russland "kein Thema", sagte Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer. Die Bundesregierung strebt an, bis zum Sommer 2024 weitgehend unabhängig von russischem Gas zu werden. Bei einem zu schnellen Einfuhrstopp befürchtet sie eine Wirtschaftskrise.
Der russische Staatskonzern Gazprom kündigte am Dienstag an, den dänischen Versorger Ørsted sowie Shell Energy Europe von diesem Mittwoch an nicht mehr mit Gas zu beliefern. Betroffen ist auch Deutschland. Shell habe darüber informiert, dass die Gaslieferungen nach Deutschland nicht in der russischen Währung bezahlt würden, teilte Gazprom Export mit. Russland fordert die Bezahlung von Gas-Rechnungen in Rubel, was Øersted und Shell mit Hinweis auf die Verträge ablehnen. Erst am Montag hatte das niederländische Gasunternehmen GasTerra mitgeteilt, dass Gazprom zwei Milliarden Kubikmeter Gas nicht liefern werde. Zuvor waren die Energie-Lieferungen schon für Polen, Bulgarien und Finnland gestoppt worden.
EU will führende Rolle bei Wiederaufbau der Ukraine
Von der Leyen sicherte unterdessen der Ukraine umfangreiche Hilfen beim Wiederaufbau zu. "Wir haben nicht nur eine moralische Verantwortung, sondern auch ein strategisches Interesse, beim Wiederaufbau der Ukraine eine führende Rolle zu übernehmen", sagte sie per Video beim "Wirtschaftstag" des Wirtschaftsrats der CDU.
Bundesregierung setzt weiter auf Waffen-Ringtausch
Die Bundesregierung setzt ihre Bemühungen fort, als Ausgleich für die Lieferung von Waffen sowjetischer Bauart in die Ukraine anderen Staaten deutsche Waffen zu liefern. Griechenland soll im Rahmen eines sogenannten Ringtauschs deutsche Schützenpanzer erhalten, wie Bundeskanzler Olaf Scholz nach einem Gespräch mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis in Brüssel ankündigte. Ein solcher Ringtausch ist bereits mit Tschechien vereinbart. Das Land erhält 15 Leopard-2-Panzer aus Industriebeständen für die Lieferung von Panzern sowjetischer Bauart in die Ukraine. Scholz sprach nach eigenen Angaben auch mit Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki über einen Ringtausch./shy/DP/he
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