05.01.2023 19:31:38

GESAMT-ROUNDUP 2: Putin ordnet 36-stündige Feuerpause an

(neu: Baerbock)

MOSKAU/KIEW (dpa-AFX) - Russlands Präsident Wladimir Putin hat erstmals seit Kriegsbeginn in der Ukraine eine Waffenruhe für die gesamte Front verkündet. "Unter Berücksichtigung des Aufrufs von Patriarch Kirill beauftrage ich das russische Verteidigungsministerium vom 6. Januar 12.00 Uhr mittags (10.00 Uhr MEZ) bis 7. Januar 24.00 Uhr (22.00 Uhr MEZ) eine Feuerpause entlang der gesamten Linie der bewaffneten Auseinandersetzung in der Ukraine in Kraft zu setzen", erklärte der 70-Jährige laut einer Mitteilung des Kremls vom Donnerstag. Die Ukraine bezeichnete die Ankündigung als "Heuchelei".

Putin rief die Ukraine auf, sich an die Feuerpause zu halten, damit Gläubige die Weihnachtsgottesdienste besuchen könnten. Die Ostkirchen feiern Weihnachten nach dem julianischen Kalender erst am 7. Januar. Bislang hatte es nur lokal begrenzte Feuerpausen gegeben, etwa für den Austausch von Gefangenen oder die Einrichtung humanitärer Korridore für Zivilisten rund um die monatelang belagerte ukrainische Hafenstadt Mariupol. Derzeit ist die Front nach Angaben des russischen Generalstabschefs Waleri Gerassimow 815 Kilometer lang.

Der Berater im Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, schrieb auf Twitter: "Russland muss die besetzten Gebiete verlassen - nur dann wird es eine "zeitweilige Waffenruhe" geben." Im Gegensatz zum russischen Gegner greife die Ukraine kein fremdes Territorium an und töte keine Zivilisten. Das mache nur Russland.

Beobachter in Kiew gingen davon aus, dass die von Putin angeordnete 36-stündige Feuerpause den Ukrainerinnen und Ukrainern Angriffe mit Raketen und Drohnen über die Weihnachtstage ersparen könnte. An den Fronten im Osten und Süden des angegriffenen Landes werde sich die Lage hingegen wohl kaum verändern. Sollte die ukrainische Armee ihre Angriffe fortsetzen, würden sich die russischen Truppen sicher zur Wehr setzen.

Kirill, Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche und dem Kreml eng verbunden, hatte vor Putins Anordnung zu einer Waffenruhe aufgerufen. Während des orthodoxen Weihnachtsfestes sollten die Waffen schweigen, forderte der Patriarch, der den völkerrechtswidrigen Angriff auf das Nachbarland ansonsten klar unterstützt. Die Führung in Kiew hatte diese Forderung scharf zurückgewiesen. "Es ist eine zynische Falle und ein Element der Propaganda", schrieb Podoljak.

Bundesregierung nimmt angekündigte Waffenruhe "zur Kenntnis"

Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend auf die angekündigte Feuerpause. "Wir haben die Ankündigung zur Kenntnis genommen", sagte ein Regierungssprecher in Berlin. "Jedes Einstellen der Kampfhandlungen trägt dazu bei, Menschenleben zu retten." Es bleibe aber dabei, dass Russland seine Truppen vollständig aus der Ukraine abziehen müsse und so diesen Krieg jederzeit beenden kann. "Dazu fordern wir Russland weiter auf."

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb auf Twitter: "Eine sogenannte Feuerpause bringt den Menschen, die unter russischer Besatzung in täglicher Angst leben, weder Freiheit noch Sicherheit." Deshalb werde man die Ukrainer weiterhin unterstützen, "damit sie wieder in Frieden und Selbstbestimmung leben können". Sie ergänzte: "Wenn Putin Frieden wollte, würde er seine Soldaten nach Hause holen, und der Krieg wäre vorbei. Aber offenbar will er den Krieg fortsetzen, nach kurzer Unterbrechung."

Zu Ostern lehnte Moskau eine Waffenruhe noch ab

Zum höchsten Feiertag der Christenheit, dem Osterfest, hatte Russland im vergangenen Jahr eine Waffenruhe noch abgelehnt. Die würde es der Ukraine nur ermöglichen, neue Waffen zu erhalten und Kräfte umzugruppieren, hieß es damals. Nun äußerte sich der Patriarch ganz anders. "Ich, Kirill, Patriarch von Moskau und ganz Russland, rufe alle Seiten, die an dem internen Konflikt beteiligt sind, dazu auf, das Feuer einzustellen und eine Weihnachtswaffenruhe (...) herzustellen, damit die Gläubigen die Messen an Heiligabend und am Tag von Christi Geburt besuchen können", heißt es in einem Aufruf Kirills. Dass er den Angriff auf die souveräne Ukraine als "internen Konflikt" bezeichnete, verdeutlicht einmal mehr seine Nähe zum Kreml.

Putin: Verhandlungen nur ohne Rückgabe von Territorien an Ukraine

Putin machte eine Anerkennung der russischen Eroberungen in der Ukraine erneut zur Bedingung von Verhandlungen mit der Regierung in Kiew. Nach einem Telefonat Putins mit dem türkischen Präsidenten Recep Erdogan teilte der Kreml am Donnerstag mit: "Wladimir Putin hat erneut die Bereitschaft Russlands zum ernsthaften Dialog betont - unter der Bedingung, dass die Obrigkeit in Kiew die bekannten und mehrfach öffentlich gemachten Forderungen erfüllt und unter Berücksichtigung der neuen territorialen Realität." Diese Forderungen widersprechen jedoch dem Völkerrecht.

Neuer Schwung in Debatte um Lieferung deutscher Kampfpanzer

Unterdessen hat die Ankündigung Frankreichs, der Ukraine Radpanzer zur Verfügung stellen zu wollen und die Äußerung von US-Präsident Joe Biden, seine Regierung erwäge die Lieferung von Schützenpanzern, neue Bewegung in die Debatte in Deutschland über die Lieferung deutscher Kampfpanzer gebracht. Die Ukraine bittet in ihrem Abwehrkampf gegen die russischen Truppen seit Monaten um deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 und um den Schützenpanzer Marder. Berlin hat bisher die Panzerhaubitze 2000 und den Flugabwehrkanonenpanzer Gepard geliefert.

Baerbock betonte in London, Deutschland und seine Verbündeten dürften keinen Zweifel an der Unterstützung für Kiew lassen. Man schaue, "was wir mehr tun können, gerade auch bei der militärischen Unterstützung", sagte sie bei einer Pressekonferenz mit ihrem britischen Kollegen James Cleverly. "Dazu gehören Defensiv-Waffen, dazu gehören aber eben auch Mittel, Waffen, die die Ukraine braucht, um besetztes Gebiet und damit die Menschen, die dort unter russischem Terror leiden, zu befreien." Konkrete Zusagen machte Baerbock trotz Nachfragen von Journalisten nicht.

Esken zu Panzer-Lieferungen: In engen Abstimmungen mit Partnern

SPD-Chefin Saskia Esken hielt sich zur Frage der Lieferung deutscher Kampfpanzer weiter bedeckt. "Die deutsche Regierung und der deutsche Bundeskanzler sind dazu immer wieder in engen Abstimmungen mit den Partnern, mit den Freunden - insbesondere natürlich mit den Amerikanern", wiederholte sie in der RLT/ntv-Sendung "Frühstart", was auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) immer wieder auf Fragen nach der Lieferung deutscher Kampfpanzer antwortet. Vize-Kanzler Robert Habeck bekräftigte in Oslo, Deutschland werde der Ukraine auch weiterhin Waffen liefern. "Wir werden unsere Lieferungen stets den Erfordernissen des Schlachtfelds anpassen", sagte er.

Selenskyj würdigt Macrons "Führungsrolle"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wertete die angekündigte Lieferung französischer Spähpanzer als wichtiges Signal auch an andere westliche Staaten. "Frankreich hebt die Verteidigungsunterstützung für die Ukraine auf eine neue Ebene und ich danke Präsident (Emmanuel) Macron für diese Führungsrolle", sagte Selenskyj in seiner Videoansprache am Mittwochabend./haw/DP/he

Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!